Vortrag – Prof. Dr. Peter Grünberg im Zwiegespräch mit Prof. Dr. Joachim Treusch
„Von der Physik zur Medizin – Nanosupermagneten als Heinzelmännchen“
Prof. Dr. Treusch: Lieber Herr Hasskamp, meine sehr verehrten Herren,
herzlichen Dank für die An-Moderation, die ja mit dem Blick auf 89 die Hürden sehr hoch gelegt hat. Aber nachdem wir heute schon so wunderbare politische Remineszenzen so lebhaft zurückholen konnten, kann am heutigen Tag ja eigentlich nichts mehr schiefgehen, da bin ich ganz zuversichtlich.
Lieber Herr Grünberg, wir sitzen heute hier so zusammen, im Smoking und mit Fliege, also recht ordentlich angezogen. Als ich sie beim letzten Mal traf, vor einem Vierteljahr in Aurich, da haben sie nicht vor älteren Herren, sondern vor Schülern vorgetragen; aber immerhin im Anzug immerhin und mit Schlips! Und vor anderthalb Jahren in Stockholm hatten sie sogar einen richtigen Frack an. Davor habe ich sie zwanzig Jahre lang in Jülich getroffen, immer in Blue-Jeans und ohne Schlips. Nur am 10. Oktober, dem Tag der Verkündigung der jeweiligen Physik-Nobelpreise hatten sie seit 2001 regelmäßig einen Schlips in der Fahrradtasche. Für den Fall, daß…!
Herr Grünberg, hat der Nobelpreis ihr Leben verändert?
Prof. Dr. Grünberg: Wie hat der Nobelpreis in erster Linie mein Leben verändert…, ja, ganz dramatisch. Ich bin jetzt meistens auf Dienstreise, viele Einladungen, immer noch. Obwohl es schon ein bisschen abgeflaut hat, natürlich, seit es den Nobelpreis gegeben hat. Aber eben doch viele Reisen, und dazwischen nicht mehr so viel im Institut, sondern zu Hause , weil man dort die Vorbereitungen der Reisen und das Studium und Arbeiten an weiteren Vorträgen genau so gut erledigen kann. Deswegen bin ich eben nur noch zur Hälfte in etwa im Institut – aber ich habe natürlich meinen Computer zu Hause und dort arbeite ich auch sehr viel. So kann man sich das Leben dann vorstellen. Das charakterisiert das in etwa.
Prof. Dr. Treusch: Sie haben jetzt erzählt, lieber Herr Grünberg, das sie ungerne – und ich kann das als Physiker nachvollziehen, denselben Vortrag immer wieder halten. Das heißt, sie bereiten sich zwischen den Vorträgen auf neue Gebiete in der Physik vor – mit anderen Worten, sie sind immer noch neugierig. Mag das etwas zu tun haben mit Ihrer Herkunft? Mit einer Prägung, die vielleicht auch ein bisschen „Schweick´sches“ in sich hat? Erzählen sie uns doch ganz einfach, wie Sie groß geworden sind und was Sie zur Physik gebracht hat?
Prof. Dr. Grünberg: Nun ja, ich weiss nicht so genau, was man unter „Schweick´schem“ versteht. Ich weiss nur, dass meine Familie – vor allem väterlicherseits – immer sehr beweglich war. Ich kann mich da an meine Großmutter erinnern, als wir irgendwo mal hingefahren sind. Sie saß schon voller Erwartung auf dem Sofa und hat sich gefreut: Reisen, Reisen, Reisen!! hat sie gesagt, und das würde ich für mich auch so sehen. Nicht, weil ich jetzt nachdem es die Preise gegeben hat, soviel reisen kann. Da hat man dann davon auch mal zu viel und möchte eher weniger haben – aber früher als Student hat es mich immer schon wo anders hingetrieben, eine gewisse innere Unruhe war also auf jeden Fall da.
Ich bin 1939, vor Beginn des Krieges – ein Friedenskind sozusagen – in Pilsen geboren. Mein Vater war Diplomingenieur bei den Skoda-Werken, meine Mutter kam aus dem Egerland, das ist auch nicht sehr weit von dort. Nach dem Krieg sind wir ausgesiedelt worden und kamen nach Nordhessen in eine Kleinstadt namens Lauterbach. Dort habe ich 9 Jahre lang das Gymnasium besucht. Ich empfinde es so, dass ich in dieser Kleinstadt aufgewachsen bin – ich habe auch noch sehr viele Kontakte dorthin.
Nach dem Abitur fing ich in Frankfurt mit dem Physikstudium an und bin nach dem Vordiplom nach Darmstadt an die Technische Hochschule übergewechselt. 1966 habe ich dort mein Diplom gemacht und habe noch im selben Jahr geheiratet. 1969 promovierte ich und bin dann mit meiner Frau für 3 Jahre nach Ottawa, der Hauptstadt Kanadas, gegangen, wo ich bis 1972 an der Universität tätig war.
Dann hat sich eine Möglichkeit aufgetan, in Jülich anzufangen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Institut für Magnetismus, und das habe ich auch gerne gemacht, da es ganz gut gepasst hat von meinen Interessen und meiner Ausbildung her. Dort bin ich seit 1972 tätig gewesen, unterbrochen durch einige Auslandsaufenthalte – ein Jahr war ich in den USA in Chicago und ein halbes Jahr in Japan.
Inzwischen hatte ich einige hübsche Ergebnisse an diesen geschichteten magnetischen Strukturen, die aus verschiedenen Filmen bestehen, die übereinander gestapelt sind, gefunden. Der erste interessante Effekt war die antiferromagnetische Zwischenschichtkopplung, die benachbarte ferromagnetische Schichten in ihrer Magnetisierung antiparallel stellt. Das sind dünne Filme, gestapelte Strukturen, wie ich schon sagte, die aus ferromagnetischen und nichtferromagnetischen Materialien bestehen, und unter geeigneten Bedingungen richten sich diese durch die nichtferromagnetischen Schichten getrennten ferromagnetischen Schichten antiparallel zueinander aus. Das war das erste wirklich bemerkenswerte Ergebnis.
Darauf aufbauend haben wir auch den Magnetowiderstandseffekt gefunden, der sich bei dieser antiparallelen Ausrichtung einstellt. Das ist dann sehr schnell von der Industrie aufgegriffen worden, und man hat erkannt, dass das geeignet ist für empfindliche Sensoren, die man sehr klein machen kann, ohne dass die Empfindlichkeit verloren geht, und dass man das ausnutzen kann in den Festplattenlaufwerken. Dafür sind diese Sensoren gut, das hat man weltweit eingeführt.
Inzwischen ist man sogar ein bisschen darüber hinaus. Man hat einen anderen Effekt gefunden, der ähnlich ist diesem, der von uns entdeckt wurde, und der jetzt schon eingesetzt wird und in Zukunft noch mehr eingesetzt werden wird, aber ganz fern am Horizont erscheint schon wieder unser alter Effekt in einer neuen Konfiguration. Also, das ist so ein Wechselspiel. Mal wird es verwendet, mal erfindet man wieder etwas Neues und dann kommt man wieder zum Alten zurück, weil das Alte auch wieder verbessert worden ist. So ist es ja auch bei diesen Chips in Fotokameras, die stehen in harter Konkurrenz mit den Festplatten, es gibt ja auch Computer, in denen nur diese Chips verwendet werden und nicht die Festplatten. Das ist mit unserem Riesenmagnetowiderstandseffekt genauso. Mal erscheint er sehr attraktiv, dann geht man zu einer neuen Technik über, weil die schon wieder weiter entwickelt ist, um anschließend wieder zum Alten zurückzukehren. So geht es immer hin und her.
Prof. Dr. Treusch: Ich habe mir gedacht, daß alle im Saal – auch wenn ihr Thema heute heißt: „Von der Physik zur Medizin – Nanosupermagneten als Heinzelmännchen“ (ich muss dazu sagen, Herr Grünberg ist Professor in Köln, daher sind die Heinzelmännchen ganz angemessen als Metapher) – daß alle im Saal auch interessiert sind zu wissen, wofür Herr Grünberg seinen Nobelpreis bekommen hat. Das war nicht „Anwendung der Physik in der Medizin“. Ich habe Herrn Grünberg 1987 kennengelernt, als ich nach Jülich kam und er gerade auf dem Wege war, seine Entdeckungen, die er gemacht hatte, zu veröffentlichen. Und ich übernehme es jetzt, Ihnen, die sie in der Mehrzahl, wahrscheinlich in der überwältigenden Mehrzahl Nicht- Physiker sind – ganz kurz zu erklären, warum die Entdeckung von Herrn Grünberg so eingeschlagen hat.
Sie alle wissen, daß moderne Computer auf Mikroelektronik basieren. Das heißt: elektronische Ströme sorgen für den Informationsfluss. Sie alle haben auch gehört – oder wissen – daß in ihrem PC oder in dem ihrer Sekretärin eine Magnetspeicherplatte ist. Und sie wissen auch, noch aus der Schule, dass Magnetismus und Elektrizität, jedenfalls auf den ersten Blick, etwas sehr Verschiedenes sind. Wie kann man die Daten, die auf der Magnetplatte sind, in die elektronische Datenverarbeitung übersetzen? Das war sozusagen erst im nach hinein der Weg von Herrn Grünberg. Zuallererst war es die Neugier mit einer zunächst mal witzigen philosophischen Frage.
Nämlich: Sie alle wissen, was ein Stabmagnet ist. Ein langes dünnes Ding, oben der Nordpol unten der Südpol. Und sie wissen, dass Nordpole sich abstoßen und Südpole auch, aber das Nord- und Südpole sich gegenseitig anziehen? Jetzt könnte man sagen, ich zerschneide diesen Stabmagneten in lauter kurze Teile. Immer wieder habe ich oben einen Nordpol und unten einen Südpol, alles zieht sich an, alles paßt. Wunderbar! Aber die viel spannendere Frage, die er sich stellte, war: was passiert, wenn ich diesen Stabmagneten in Stabrichtung durchschneide? Da habe ich plötzlich zwei lange Stabmagneten und diese beiden haben ihren Nordpol oben und den Südpol unten. Das mögen die aber nicht. Das heißt, im Moment wo ich schneide macht´s Flupp…. und der eine dreht sich rum. Und die Frage, die Herr Grünberg sich gestellt hat: Woran liegt das? Solange die zusammen sind in einem Stück, stimmt alles, wenn ich durchschneide, stimmt nichts mehr. Wie erforscht ein Physiker das? Er sagt, ich stecke mal zwischen die beiden auseinandergesägten Magneten eine Zwischenschicht. Eine Schicht Chrom oder Kupfer, was immer. Und will wissen, wie dick muss die sein, damit der Magnet so bleibt wie er war?
Wann fängt er an, verrückt zu spielen? Das hat er untersucht. Clevererweise nicht, indem er 1000 Proben gemacht hat, die erste mit einer dünnen Schicht, dann eine doppelt so dicke, dann dreifach dicker und so weiter. Nein, er hat eine keilförmige Schicht dazwischen gelegt, sodass der Abstand mit der dicke des Keils immer größer wurde und dann geguckt, was passiert. Und schließlich hat er – und wenn Sie das noch mitgehen, dann haben Sie alles verstanden, was an Sensation hier steckt – geguckt, wie durch diese Schicht, die er dazwischen gesteckt hatte, wie durch die der Strom fließt. Und dann passiert was ganz Verrücktes!
Der Strom fließt, wenn die beiden Magneten, die die Schicht einpacken, ihren Nordpol oben haben, wunderbar durch. Wenn der eine Nordpol nach unten zeigt, der andere nach oben, was sie eigentlich lieber tun, fließt der Strom nicht mehr so gut durch. Das heißt, ein magnetischer Effekt liefert Ihnen ein elektrisches Signal. Elektrischer Strom reagiert auf Magnetfelder. Das war die Grundidee, mit der, wie man später gesehen hat, auch noch andere Leute schwanger gingen und dazu sollten Sie, Herr Grünberg vielleicht erzählen, was für ein tolles Erlebnis sie hatten, als Sie auf der Konferenz in Frankreich, in Le Roisseau , das erste Mal erzählt haben, was ich jetzt sehr vereinfacht zusammengezogen habe und wenn Sie sagen, es war zu sehr vereinfacht, sagen Sie es ruhig – Herr Grünberg!
Prof. Dr. Grünberg: Ja, zu der Zeit war die Forschung in dünnen magnetischen Schichten schon sehr aktiv. Es waren aber andere Fragestellungen als die, die wir untersucht haben, die im Zentrum des Interesses standen. Es waren vor allem Einzeleffekte, die untersucht wurden. Also Effekte, die man auch an einzelnen magnetischen Schichten erforschen kann. Höchstens, wenn Doppellagen genommen wurden, war es interessant, nach der Wechselwirkung von magnetischen Schichten direkt an der angrenzenden Zwischenschicht, oder am Interface (so sagt man in Physikerkreisen) zu forschen.
Da gab es dann solche Effekte, dass sich die Magnetisierungen dort an diesem Interface senkrecht zu der Volumenmagnetisierung aufstellen, was auch ein quanten-mechanischer Effekt ist. Man muss sich die atomaren Orbitale quasi als Kleeblätter vorstellen und der Spin des Elektrons steht senkrecht auf diesem Kleeblatt und wenn ich also zwei solcher Kleeblätter an einer Grenzfläche zusammenbringe, dann legen sie sich vorzüglich parallel zueinander. Das wären die atomaren elektronischen Wellenfunktionen, die dann dafür sorgen, dass der Spin senkrecht steht. Das war so ein Klasse von Untersuchungen. Soweit war man also gekommen, das war gerade damals, als wir den Magnetowiderstandseffekt gefunden haben, das war das Hauptinteresse. Diese Anisotropieen, die durch die Grenzflächen zustande kommen: Grenzflächen-Anisotropieen, Oberflächen-Anisotropieen.
Wir hatten ebenso wie die Gruppe von Albert Fert in Paris vorher schon diese Zwischenschichtkopplung gefunden. Die kann man nun nicht mehr so mit einem Grenzflächen-Effekt erklären. Bei der Zwischenschichtkopplung nimmt man Proben, wo auf beiden Seiten eine magnetische Schicht steht und in der Mitte eine nichtmagnetische Schicht. Nehmen sie z.B. Eisen, Chrom, Eisen. Oder sehr viel genommen wurde dann auch später Kobalt, Kupfer, Kobalt. Eine hauchdünne Kupferschicht zwischen zwei etwas dickeren Schichten Kobalt. Dicker heißt in etwa 100 Atomlagen dick.
Also so sahen die Proben in etwa aus und dann beobachtet man das, was Herr Treusch gerade schon geschildert hat, dass man unter Umständen. antiferromagnetische Kopplungen bekommt. Daß sich die magnetischen Momente dieser beiden Kobaltschichten, oder auch der Eisenschichten bei den Eisen- Chrom-Eisen-System, antiparallel zueinander ausrichten. Und wie sich dann später herausgestellt hat – das hat man in den ersten Momenten nicht so erkannt in diesem Detail – sind dafür Elektronen verantwortlich, die in diesen metallischen Schichten hin und her laufen zwischen den magnetischen Schichten über die Zwischenschicht. Und so hatten wir diesen neuen Effekt, mit diesem Hin- und Herlaufen – Elektronentransfer nennt man das oder Spintransfer, weil vor allem auch der Spin des Elektrons ein Rolle spielt, der hin und her läuft.
Das ist also wirklich eine neue Klasse von Wechselwirkungen und von Materialien. Und diese ganzen Kopplungsphänomene führen dann auch zu einer Veränderung des elektromagnetischen Widerstandes. Daß es zu den Spintransfereffekten gehört, das war das eigentlich neue und allgemeine. Wir haben jetzt die Spintransfereffekte –
Prof. Dr. Treusch: Vielleicht kann ich ganz kurz noch einmal etwas einflechten, wenn das Wort Spin Ihnen so nichts sagt. Wir haben vorhin von richtig großen, makroskopischen Magneten gesprochen, die Sie alle kennen. Aber auch das einzelne Elektron hat magnetische Eigenschaften und die nennt man Spin.
Das müssen sie nicht verstehen, das können sie nur glauben. Das muss sie aber gar nicht schmerzen, denn als der spätere Nobelpreisträger Pauli dies vorschlug, hat es auch fast niemand verstanden und nur wenige haben es geglaubt. Im Grunde heißt es nur, daß selbst das einzelne Elektron, was so unendlich klein ist, ein magnetisches Feld hat, und dieses kann genauso ausgerichtet werden wie das des Stabmagneten – Das war die Beschreibung, die Herr Grünberg gerade gegeben hat.
Prof. Dr. Grünberg: Und wenn die Elektronen also in diesen magnetischen Schichten von einer Oberfläche der Schicht zur anderen laufen, dann nehmen sie ja quasi den Spin immer mit. D.h. wir haben dann auch einen Spintransfer, wir haben nicht nur einen Ladungselektronentransfer in dem beschichteten System, sondern wir haben auch diesen Spintransfer und der macht dann diese magnetischen Wechselwirkungen aus, die dann den Magnetowiderstandseffekt verändern. Diese Kopplungsphänomene nutzt man jetzt aus: man bringt Kontakte an, an beiden Oberflächen der beiden Proben, und lässt einen Spin senkrecht zur Schicht laufen durch diese Schicht und bekommt jetzt einen Einfluss auf die Magnetisierung, die sich entweder parallel oder antiparallel aufgrund dieser Ströme ausrichten. Wenn der Strom in die eine Richtung fließt, ordnen die sich antiparallel an – die magnetischen Momente. Fließt er in die entgegengesetzte Richtung, ordnen sie sich antiparallel an. Hat natürlich sofort ein enormes Potential für das Einschreiben von Daten in solche Datenträger, wo man durch solche Ströme die parallele oder die antiparallele Magnetisierungsausrichtung erzielen kann und damit natürlich magnetische Informationen in das System einschreibt.
Prof. Dr. Treusch: Vielleicht sollte man noch eine Geschichte erzählen, lieber Herr Professor Grünberg, weil ich die für die Soziologie der Physiker unglaublich bezeichnend finde, und das wird Sie alle verwundern. Als Herr Grünberg die ganze Geschichte das erste Mal vortrug, haben es auch die Physiker auf dieser Konferenz nicht geglaubt. Und Herr Grünberg hatte – ich glaube, es war über eine Stunde, eine unruhige Zeit, weil das Publikum einfach nicht positiv reagiert hat.Und dann kam Herr Fert– und jetzt sind sie wieder dran, Herr Grünberg!
Prof. Dr. Grünberg: Ja, ja, dann kam Albert Fert, der inzwischen ein guter Freund von mir geworden ist. Und wir haben uns bei dieser Gelegenheit kennengelernt und er hat seine Folien aufgelegt. Er hat zwar nicht ganz genau dasselbe gemacht wie wir. Er hat nämlich an Hand von Multilagen untersucht. Wir hatten ja nur an Doppelschichten untersucht, das bezieht sich auf zwei magnetische Schichten getrennt durch Zwischenschichten. Wir hatten also das simplere System, dafür war es aber übersichtlicher und man wusste genau, was man tut.
Albert hatte diese Multilagen untersucht, aber auch den Effekt gefunden, daß, wenn benachbarte magnetische Lagen antiparallel zueinander stehen in der Magnetisierung, dann hat man die Erhöhung des elektrischen Widerstands. Bei ihm war das dann auch noch sehr viel stärker, weil er eben diese Multilagen genommen hat und damit die Streuwahrscheinlichkeiten für solche Elektronen auch erhöht werden konnten. Weil ein Elektron einfach längere Wege laufen muß, um von einer Oberfläche zur nächsten Oberfläche zu kommen und die Streuwahrscheinlichkeit dadurch erhöht ist.
Prof. Dr. Treusch: Um zum Ende noch auf die „Heinzelmännchen“ zu kommen, kann man doch sagen, daß über den Erfolg Ihrer Riesen-Magnetwiderstandssensoren auch die Medizin eine Menge gelernt hat.
Prof. Dr. Grünberg: Ja, das ist so. Die Sensoren können in Kombination mit supermagnetischen Nanoteilchen auch als Detektoren in der Medizin eingesetzt werden. Es ist ja bekannt, dass man fluoreszierende Marker in genetisches Material einbringen kann, um dann verschiedene Zellen in der Kombination mit den Markern zu erkennen. Die Marker färben gewisse Zellen in irgendeiner Farbe, sodass man unter dem Mikroskop erkennen kann, wo die sitzen.
Das kann man jetzt – oder hat man auch schon so gemacht – auch magnetisch machen , so daß man an diese Zellen supermagnetische Teilchen anheftet und die dann eben magnetisch nachweist, und dazu braucht man auch wieder sehr empfindliche Sensoren, die möglichst auch sehr klein gebaut werden müssen, weil diese Zellen ja alle sehr klein sind, und kann das dann auch so benutzen, um diese Zellen zu erkennen. Also jetzt magnetisch statt optisch markierte Zellen, magnetisch mit Magnetfeldsensoren zu erkennen. Dabei kann man diese neuen GMR-Magnetfeldsensoren sehr effektiv einsetzen.
Prof. Dr. Treusch: Sie waren ja nun, Herr Grünberg, in ihrer Tätigkeit als Forscher auch begeisterter Lehrer. Ich habe erzählt, sie waren im Schülerlabor bei uns tätig. Sie haben begeistert Doktoranden bei uns ausgebildet. Wenn Sie heute von der Regierung gefragt würden, wofür sollen wir, wofür soll Frau Schavan unser Geld ausgeben? Mehr Forschung, mehr Lehre, mehr Schule, oder mehr Kindergarten. – Was wäre ihre Antwort – immer aus der Sicht der Physik?
Prof. Dr. Grünberg: Eher eine Gleichverteilung vornehmen. Ich sehe nicht, dass an einem von diesen Sektoren so gravierende Mängel sind, die jeder von außen erkennen würde. Ich erkenne es nicht, deshalb würde ich mich auch nicht anheischig machen. Ich würde sagen, es müssten alle Sektoren bekräftigt werden und auf der ganzen Breite gearbeitet werden.
Prof. Dr. Treusch: Aber würden Sie denn zustimmen – wir müssen es ja heute wenigstens noch versuchen als zwei einsame Physiker, eine kleine Botschaft für unser Fach loszuwerden – daß man für den Physikunterricht in der Schule durchaus etwas mehr tun sollte oder könnte?
Prof. Dr. Grünberg: Doch natürlich, ich bin z.B. als Gymnasiast gerne in die Arbeitsgemeinschaft Physik gegangen, daß man am Nachmittag sich nochmal trifft und schöne kleine Experimente macht. Das wird ja auch mit vielen Lehrmitteln stark unterstützt. Also ich halte sehr viel davon, dass man etwas mit der Hand macht und experimentiert. Aber es dann auch ernsthaft durchdenkt und mathematisch analysiert. Da ist dann die Zeit im normalen Physikunterricht etwas zu knapp dafür und da würde ich sagen, mit Arbeitsgemeinschaften kann man da immer arbeiten.
Prof. Dr. Treusch: Sie sehen, meine Herren, Herr Grünberg, der mit beiläufig 20 Milliarden Sensoren am Ende die Welt verändert hat, ist so bescheiden geblieben, wie ich ihn 1987 kennengelernt habe. Er könnte ja auch versuchen, seinen Einfluss – wie es manche tun – mit dem Nobelpreis wedelnd in die Politik umzusetzen. Sie sehen, seine Ratschläge sind sehr sanft und zurückhaltend. Aber ich kann Ihnen versichern – ich habe es ja miterlebt – nach 20 Jahren hat sich eine Menge von dem durchgesetzt, was Herr Grünberg angestoßen hat. Und ich hoffe, dass es auch für das gilt, was Sie, Herr Grünberg, sich im Rahmen der Ausbildung für Kinder, Schüler und Studenten vorstellen. Ich danke ihnen im Namen aller, daß Sie uns einen kleinen Einblick gegeben haben in die Art, wie ein Physiker von der Physik besessen sein kann, wie er „tickt“ und auch dann noch unverändert tickt, wenn er den unter Physikern größten möglichen Lohn, und das ist zweifellos der Nobelpreis, gewonnen hat.
Herzlichen Dank, Herr Grünberg