Suche

195. Zusammenkunft am 1. Juni 2023 Burg Trausnitz in Landshut

Sprecher des Collegiums

Dr. Jörg Bremer

Vortrag in der Collegiumsrunde

Prof. Dr. Ursula Münch

Thema

„Braucht die Gesellschaft den Zusammenhalt?“

195. Zusammenkunft am 1. Juni 2023 Burg Trausnitz in Landshut

Begrüßung
Dr. Jörg Bremer

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Ehre und ein großes Vergnügen, Sie alle hier auf der Burg über Landshut begrüßen zu dürfen. Wir haben uns zur 195. Zusammenkunft des Bremer Tabak-Collegiums eingefunden. Das klingt ehrwürdig, wenn nicht bedeutungsvoll, aber dieser Anlass kann keineswegs mit der Geschichte und dem Rang dieses Burgbergs verglichen werden. Das muss ich schon aus Ehrerbietung dem Hausherrn gegenüber sagen, den ich darum auch als ersten begrüße. Früher würde man Bernd Schreiber wohl angemessen als den Obersthofmeister des königlichen Hauses Wittelsbach bezeichnet haben. Immerhin ist Herr Schreiber, ursprünglich Jurist aus der bayerischen Finanzverwaltung, Hausherr und Verwaltungschef von 45 bayerischen Schlössern und 27 großen Gärten; andererseits beschreibt er sich gern bescheidener als „Dienstleister“, der uns heute auch diese Hallen öffnet. Lieber Herr Schreiber; wir hätten uns – dem abweisenden Namen der Burg „Trau Dich nicht“ folgend – in der Tat niemals getraut, aus dem fernen Bremen diese Bastei zu knacken, es sei denn durch Ihre freundliche Einladung. Dafür entbiete ich Ihnen im Namen des Tabak-Collegiums unseren herzlichen Dank und freue mich auf Ihre Tischrede nach der Vorspeise.

Wir kommen ja auch in friedlicher Absicht und wollen uns zu allein geistigem Austausch treffen, wobei wir – unserer norddeutschen Begrenztheit bewusst – eine ortskundige bayerische Württembergerin oder württembergische Bayerin gebeten haben, uns alle in unser Thema einzuführen. Liebe Frau Professorin Ursula Münch, bis nach Bremen ist ihr glänzender Ruf als Chefin der Akademie für politische Bildung Tutzing in den Norden gedrungen. Sie werden sich nachher dem Thema widmen: „Braucht die Gesellschaft den Zusammenhalt?“ Und dafür schon an dieser Stelle sehr herzlichen Dank. Seien Sie uns besonders willkommen.

Sie sehen schon, etwas zögerlich und tastend, fast unterwürfig stehe ich vor ihnen. Wir Bremer müssen es zugeben. Dieses Ereignis heute ist eine Premiere und Sie können später Ihren Enkeln sagen, sie seien dabei gewesen. Zwischen der Freien und Hansestadt Bremen im fernen Norden und dieser Burg im Wittelsbacher Land hat es noch nie eine Beziehung gegeben; heute erst fangen wir damit an. Nun sagen Sie nicht, in der frühen Steinzeit habe es ja auch auf dieser Burg schon Leben gegeben, während Bremen noch nicht einmal gedacht worden sei. Sagen Sie nicht, der Norden sei eben einfach zu unbedeutend für den Süden!

Es ist nur eben so, dass der Norden ohne diese – aus unserer Sicht – im entferntesten Winkel Deutschlands liegende Festung auskam. Natürlich hätte man Kontakt haben können. Aber es machte aus Bremer Perspektive einfach keinen Sinn. Für den Bremer Kaufmann und seine Geschäfte lag Niederbayern in einem tiefen Schatten. Die Bindungen nach Süden waren weit weniger ausgeprägt als nach Riga, Nowgorod oder London. Ok – auch Venedig und natürlich die Hansestadt Krakau, Polens Hauptstadt – von wo die Königstochter Jadwiga (oder Hedwig) 1475 zu ihrer Prunkzeit mit dem Wittelsbacher Thronerben hierher nach Landshut kam. Aber sonst?

Auch kannte man in Bremen keine höfische Hochkultur, wie sie hier gepflegt wurde. Dabei wäre es – zugegeben – schön gewesen, hätte man in Bremen nicht nur Geld gezählt, sondern auch den Minnesängern gelauscht oder selber gesungen. Aber Frisia non cantat – (die Friesen singen nicht), heißt ein überkommener Spruch. Tatsächlich haben es ja selbst diese Bremer Stadtmusikanten nur bis knapp zur Stadtmauer geschafft. Und so hat die gesamte Kulturgeschichte des Hochmittelalters, das wir hier auf Trausnitz in seiner ehrwürdigsten romanisch-gotischen Form noch erkennen können, nicht den Norden des heutigen Deutschlands erreicht.

Dafür aber hat der Norden das Tabak Collegium erfunden. Es war König Friedrich I. in Preußen, der das bürgerliche Tun um Pfeife und Schnupftabak zur höfischen Form erhob; war er doch der Meinung, dass der „Gebrauch des Tabaks gegen alle böse Luft gut“ sei. Ja, reden und trinken wollte er auch. Bei seinen Tabakskollegien, zu denen – nach den überkommenen Darstellungen – auch Frauen Zutritt hatten, war freilich das Rauchen anders als bei uns Pflicht. Man konnte sich nur durch das Zahlen von Spenden für wohltätige Zwecke vom Rauchen freikaufen. Der Sohn von Friedrich I., der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., griff die Tradition auf. Allerdings soll es bei ihm nicht mehr so fein zugegangen sein; vielmehr saßen nun nur militärisch/jagdlich rustikal gekleidete Herren samt Kronprinz an einer langen kargen Tafel. Das höfische Protokoll aber war auch bei diesem König halbwegs ausgebremst.

Da wir einen Preußen-Prinzen und Nachfahren dieser beiden Friedrichs in dem Herrenmeister unseres Johanniterordens – Dr. Prinz Oskar v. Preußen – unter uns haben, will ich mich bei ihm nur noch für diese Tradition bedanken, die man im vergangenen Jahrhundert in der Hansestadt Bremen wieder aufnahm, so dass wir heute zum 195. Male bei kalter Küche Fisch, Wurst und Käse, Bier und besten Weinen zusammenzukommen können.

Ja ich will es noch einmal betonen; sie sind hier zu Gast beim Bremer Tabak-Collegium nicht bei mir, der ich ja Jörg Bremer heiße. Der Name kommt häufiger vor und bezeichnet eine niederdeutsche Gemarkung mit Sumpf und Mühle. Unsere Familienchronik will es zwar, dass ein mittelalterlicher Bremer Bischof – etwa aus der Zeit der ersten großen Bebauung dieser Burg um 1200 – der erste mit unserem Familienwappen ist; tatsächlich aber gibt es da um den 30-jährigen Krieg herum einige Lücken, auch wenn mein Clan seine niederdeutsch-welfische Heimat niemals aufgeben musste.

Heute Abend serviert Ihnen das Bremer Tabak-Collegium bei drei Gängen der Tradition gemäß Fisch, Schinken und Käse – vor allem aber wollen wir uns dem geistigen Austausch widmen. Dafür ist diese Burg über Landshut besonders gut geeignet; sie enthebt uns in gewissem Maße von den Problemen der Ebene da unten und gibt uns den Freiraum, zumindest für einige Zeit losgelöst vom Krach der Stadt in Ruhe nachzudenken. Trausnitz kann auch für diese Tradition in Beschlag genommen werden. Wir sprachen schon vom höfischen Mittelalter, und zu dem gehörten auch die Sänger; solche wie Tannhäuser oder Walther von der Vogelweide, die zumindest zeitweise auch auf Burg Trausnitz gelebt haben. Von ihnen sind die Lieder der Hohen Minne in Erinnerung geblieben, bei denen ein Ministrale oder Höfling versuchte, die Liebe einer ihm gesellschaftlich unerreichbar hochgestellten Dame zu gewinnen. Diese Dichtung wurde gesungen vorgetragen; sie war so sehr Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse wie sie zugleich auch gesellschaftliches Spiel zur allgemeinen Unterhaltung.

So ein Walther von der Vogelweide sang aber nicht nur von unten nach oben; nein, er hatte auch seine gesellschaftlichen Vorstellungen und nutzte seinen künstlerischen Freiraum, um mit seiner Dichtung Politik zu machen. Dabei beschäftigte er sich bei seinen drei sog. Reichssprüchen mit der unsicheren Lage im Heiligen Römischen Reich, als 1197 nach dem Tode des Stauferkaisers Heinrich VI. dessen Erben mit Heinrichs jüngerem Bruder Philipp von Schwaben an der Spitze gegen die päpstliche Fraktion um die Welfen und Otto IV. um die Macht rangen. Wie wir wissen, unterlagen letztlich auf päpstlichen Druck hin die Staufer.

Walther von der Vogelweide geht es in seiner Spruchdichtung aus diesem Anlass allerdings um mehr als nur um die Macht von zwei Herrscherfamilien; er generalisiert die Nachfolgekrise, denkt über den „Weltlauf und das irdische Heil“ nach und fragt – wie wir heute bei diesem Collegium auch – ob Gesellschaft einen Zusammenhalt hat. Wie sähe der aus? Gottes Segen ist aus Walthers Sicht das Wichtigste für eine Harmonie im Reich. Das irdisch Erste aber sind dann Frieden und Recht, auch wenn es den meisten Herrschern, wie allen Menschen im Leben, vor allem um Ehre und Besitz gehe.

Nicht zuletzt, weil Walter von der Vogelweide womöglich auf dieser Burg auch diese Gedanken aussprach, möchte ich Ihnen den ersten seiner drei Reichssprüche hier vortragen, freilich in einer hochdeutschen Übertragung; weil wir das Mittelhochdeutsche wohl kaum mehr verstehen:

Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine,
darauf der Ellenbogen stand;
es schmiegte sich in meine Hand
das Kinn und eine Wange.
Da dachte ich sorglich lange,
dem Weltlauf nach und irdischem Heil;
doch wurde mir kein Rat zuteil,
wie man drei Ding’ erwürbe,
dass ihrer keins verdürbe.
Zwei Ding’ sind Ehr’ und zeitlich Gut,
das oft einander Schaden tut,
das dritte Gottes Segen,
den beiden überlegen
.

Die hätt ich gern in einem Schrein.
Doch mag es leider nimmer sein,
dass Gottes Gnade kehre
mit Reichtum und mit Ehre
zusammen ein ins gleiche Herz.
Sie finden Hemmungen allerwärts;
Untreue liegt im Hinterhalt,
kein Weg ist sicher vor Gewalt,
so Fried als Recht sind todeswund,
und werden die nicht erst gesund, wird den drei Dingen kein Geleite kund.

Also nur dort, wo Frieden und Recht walten, können auch Wohlstand und gesellschaftlicher Respekt voreinander, er spricht von Ehre, den Zusammenhalt wahren, können die Untreue und Gewalt überwunden werden. So etwa ließe sich dieses Gedicht von Walter von der Vogelweide zusammenfassen.

Das mag doch eine Anregung für unseren Abend sein. Auch uns hier geht es zunächst einmal um Respekt bei dieser Tafelrunde, um die Würdigung der Meinung eines jeden anderen. Das drückt sehr schön der Trinkspruch aus, mit dem wir jetzt das Collegium beginnen wollen. Lieber Herr Schreiber, ich möchte Ihnen zuprosten und das bitte ich auch einen jeden anderen, eine jede andere mit ihrem oder seinem Nachbarn mit folgendem plattdeutschen Trinkspruch zu tun:

Ick seh di (Ich sehe Dich)
Ick drink di to (Ich trinke Dir zu)
Dat freut mi (Das freut mich)
Dat do (Das tu)
– Prost! –
Ick heb di tosapen
(Ich hab` Dir zugetrunken)
Hest´n Rechten drapen
(Hast den Rechten getroffen)

195. Zusammenkunft am 1. Juni 2023 Burg Trausnitz in Landshut

 1. Tischrede
Bernd Schreiber                                                                                                           

Meine Damen, meine Herren,  sehr geehrte Frau Professor Münch, lieber Herr Bremer,

als Präsident der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen ist es mir eine Ehre, das Bremer Tabak-Collegium hier auf der Burg Trausnitz willkommen zu heißen. Der Begriff Trausnitz kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet so viel wie „Trau es nicht“. Den wehrhaften Charakter der Burg haben Sie schon bei der Auffahrt wahrgenommen und wurden aber dann im prächtigen Renaissance-Innenhof willkommen geheißen. Diese Burg war neben der absolut sehenswerten Stadtresidenz bis 1545 herzoglicher Regierungssitz. Der letzte Herzog, Ludwig X., war ein leidenschaftlicher, vielseitig interessierter Renaissancefürst – herausragender Kunstkenner, ambitionierter Bauherr und gewandter Diplomat. Seine Lehrer und Berater waren namhafte Größen der humanistischen Welt: wie der Hofhistoriograph Johannes Aventin, der Mathematiker und Astronom Peter Apian oder der Philologe und Orientalist Albrecht von Widmannstetter. Das Regierungsmotto Ludwig X. lautete „Ewig blühe Bayerns Land“, und demgemäß führte er hier auch eine außerordentlich prachtvolle und großzügige Hofhaltung, auf die ich später noch zurückkommen werde.

Aber zunächst, meine Damen, meine Herren, muss ich Ihnen zurufen, dass ich länger mit mir gerungen habe, ob ich es sagen oder lieber schamhaft verschweigen soll. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich aber dann doch entschieden, mich zu offenbaren: Ich freue mich außerordentlich, dass das Tabak-Collegium wieder den Weg nach Bayern auf sich genommen hat – trotz der Zumutungen, die Sie das letzte Mal auf der Herreninsel und im Neuen Schloss Herrenchiemsee erleiden mussten. Es fing schon damit an, dass es leicht nieselte und die ganze Collegiums-Gesellschaft im feinen, schwarzen Zwirn, den nicht kurzen Weg zum Schloss ohne Regenschirme zurücklegen musste. Was für wasserfeste Hanseaten offenbar kein Problem war, hätte bei der hiesigen Bevölkerung mindestens zu landestypischem Nörgeln über das „greißliche Sauwetter“ und fehlende Regenschirm tragende Ordonanzen geführt. Und dann war da noch die Sache, dass aufgrund des weißen Marmorfußbodens kein Rotwein ausgeschenkt und aus konservatorischen Gründen auch nicht geraucht werden durfte. Über offenes Kerzenlicht schweige ich. Nach der Veranstaltung habe ich dem damaligen Generalbevollmächtigten geschrieben, dass ich es verstehen würde, wenn die Bremer uns Bayern, um es in der Fußballsprache zu sagen, künftig die rote Karte zeigen würden.

Nachdem das Collegium die Nackenschläge aber nicht abgeschreckt hat, stellt sich die Frage, wie stark und gut die Beziehungen zwischen Bremen und Bayern sein müssen, dass Sie Ihr Weg doch wieder zu uns geführt hat. Dies zu ergründen ist ja immer mit protokollarischem Inhalt der 1. Tischrede. Welche Verbindungen gibt es also zwischen Bremen und Bayern-Landshut? Natürlich ist es hier der stets und oft bemühte Friedrich Barbarossa, der nicht nur im Jahre 1180 Otto von Wittelsbach, dem die Gründung Landshuts zugeschrieben wurde, mit dem Herzogtum Bayern belehnte, sondern auch Bremen sechs Jahre später – 1186 zur freien Reichsstadt erhob. Mithin verbindet unsere beiden Städte ein kaiserliches Band!

Daneben ist unsere wunderbare Stadt Landshut freilich noch Stammsitz der bayerischen Schnupftabakdynastie Pöschl und war früher der Herrschaftssitz der altbayerischen Herzöge wie dem legendären Georg dem Reichen, der 1475 die polnische Königstochter Hedwig heiratete. Nun versteht sich ja Bremen wie kaum eine andere Stadt Deutschlands auf Traditionsveranstaltungen, wie die Eiswette, das Schaffermahl und das Tabak-Collegium beweisen. Und dazu passt, dass in Landshut in diesem Jahr die Wiederaufführung eines der prunkvollsten Feste des Mittelalters die „Landshuter Hochzeit“ von 1475 stattfindet. Da lassen es die Landshuter wieder in jeder vorstellbaren Art und Weise krachen und der Ruf der Landsknechte „Himmel Landshut – 1000 Landshut“ schallt durch die ganze Stadt. Lange Bärte, lange Haare, und die im Mittelalter übliche Kleidung unterscheiden sich aber fundamental von der zeremoniellen Kleiderordnung der Festveranstaltungen Bremens, bei denen mindestens der kleine Abendanzug oder aber der Große mit Frack angesagt wird. Lassen Sie mich an dieser Stelle deshalb festhalten: Bremer und Landshuter teilen die Leidenschaft für große und festliche Feiern.

Und wenn man vom Feiern redet, dann ist man in Bayern beim Bier, das in Bremen ebenso gern getrunken wird, wie man hier beim aufgefahrenen Beck´s unschwer erkennen kann. An dieser Stelle meiner Rede wollte ich mit meinem Hinweis darauf, dass das erste Bayerische Hofbräuhaus 1573 hier auf der Trausnitz gegründet wurde, mein erstes Tor für Bayern schießen – bis ich gewahr wurde, dass das nur deshalb geschah, weil man bisher das Bock-Bier von der Hansestadt Einbeck bezog. Dieses Tor geht deshalb an die Hanse.

Mein Bemühen um ein Ausgleichstor führte mich dann aber zum stolzen bayerischen Reinheitsgebot von 1516 – bis mir bei meiner weiteren Recherche auffiel, dass in Bremen schon im Jahr 1406 ein Weinkeller urkundlich erwähnt wurde, den Herr Deckers von der FAZ – hört, hört – als „Heiligtum des deutschen Weines“ bezeichnet.
Und der Legende nach ist sogar der Erhalt der politischen Selbstständigkeit der beiden Hansestädte Bremen und Hamburg auf dem Wiener Kongress 1815 auf den gezielten Einsatz der flüssigen Schätze des damaligen Bremer Bürgermeisters als Vertreter der sogenannten „Mindermächtigen“ zurückzuführen. Ich nehme stark an, dass die stets anwesenden Hamburger Gäste ihren Bremer Hansekollegen bei jeder Collegiumssitzung gebührend danken für ihr Überleben in Freiheit und Unabhängigkeit von den Preußen oder Hannoveranern.
Da mir derartige Dankesbekundungen aber bisher nie aufgefallen sind, war ich mir bis zu diesem nervenzerfetzenden Bundesliga-Wochenende eigentlich sicher, dass dieser Dank den Hamburger Gästen diesmal leicht über die Lippen gehen wird, da sie durch den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga glänzend gestimmt sein werden. Da es aber auf tragische Weise nur zum Relegationsplatz reichte, darf ich mit der Erfahrung eines Bayern, der weiß, wie man auf den letzten Metern die Meisterschaft fast vergeigen kann, und dann aufgrund der schlechten Performance der Dortmunder – von wegen Tore für Bayern – den Stich macht, den Hamburgern nur von Herzen Glück und Erfolg für ihr heutiges Spiel gegen Stuttgart wünschen.

Nun aber wieder zurück zum Wein. Wie können wir Bayern vor der Reputation des Bremer Weinkellers – der ja auch zum UNESCO-Welterbe zählt – wenigstens ein klein wenig bestehen? Nun ja, wir haben hier auf der Burg auch einen Weinkeller, den der Ihnen nun schon bekannte Renaissancefürst Ludwig X. erbaut hat. Sein Name „Der tiefe Keller“ ist Programm. Unser Keller erweckt mit seiner Höhe von etwa 12 m den Eindruck einer unterirdischen zweischiffigen Hallenkirche. Leider wurde er aber auch erst 1541/1542 erbaut, also nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Bremer Ratskellers und nach dem bayerischen Reinheitsgebot. Aber unser tiefer Keller beherbergte gleich drei gigantisch große Eichenfässer, mit denen wir echt renommieren können! Das Größte – Sie merken mir den sattsam bekannten, manchmal schon verzweifelten bayerischen Drang nach den Spitzenplätzen in jeder Beziehung an – fasste 1313 bayerische Eimer oder besser gesagt 78.000 Liter! In den drei Fässern konnten 200.000 Liter Wein gelagert werden, was dem anfänglichen Jahresverbrauch am Hofe Herzog Ludwigs X. entsprach. Die Großfässer hatten auch eine friedensstiftende Funktion: Der gesamte Zinswein wurde darin gesammelt und allen Beziehern von Weindeputaten, Händlern und Wirten stand dieselbe Qualität zur Verfügung. Was sagen Sie jetzt dazu? Wahrscheinlich, dass es auf Größe, Höhe und Menge, wie oft in der Welt, nicht wirklich ankommt und Qualität ein dehnbarer Begriff ist. Und leider muss ich Ihnen Recht geben! In den Annalen wird über den niederbayerischen Wein berichtet, er sei so wörtlich „Ein schlechter Trank“ und dass er auch zum Mörtelmischen beim Bau der mächtigen Backsteinkirche St. Martin wie auch hier oben auf der Burg verwendet wurde. Sie sehen, meine Damen, meine Herren, auch in der Champions League des Weines können wir keine drei Punkte erkiesen. Und gerade deswegen begrüße ich das Collegium umso herzlicher, weil es doch immer einen vorzüglichen roten Collegiums-Wein im Gepäck mit sich führt.

Passend zur früheren Prachtentfaltung am Hofe Ludwig X. möchte ich zum Abschluss auf das herrliche Hofzeremoniell der Bremer Collegiumsrunde zu sprechen kommen, das würdig an diese fürstlichen Zeiten anknüpft. Wahrscheinlich haben sich diese festlichen Traditionen in den selbstverwalteten Handelsstädten nur deswegen erhalten, da es dort im Gegensatz zu allen anderen fürstlichen Staaten eben keine Revolution gegeben hat, die alles hinwegfegte und die „Bürger in Wut“ schon immer in der Minderzahl blieben. Uns Bayern wurde zwar der König „genommen“, aber zum Trost haben wir wenigstens noch die Schlösser, Burgen und Residenzen der Fürsten, die wir der mächtigen und altehrwürdigen Hanse wie heute Abend für den gesellschaftspolitischen Austausch gern zur Verfügung stellen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen und ertragreichen Abend.

195. Zusammenkunft am 1. Juni 2023 Burg Trausnitz in Landshut

2. Tischrede
Dr. Jörg Bremer

Als wir uns im „Kleinen Gremium“ über diesen Abend erstmals Gedanken machten, trieb uns das Gefühl um, die deutsche Gesellschaft breche auseinander.

Nur ein paar Beispiele:

  • Im Osten Deutschlands, wo die weithin unverarbeitete NS-Diktatur und die DDR-Diktatur der SED noch bis heute Menschen selbst jüngerer Generationen prägen, droht die AFD zu einer mehrheitsfähigen Partei zu werden, während es für die Mehrheit in Deutschland – vor allem im Westen – immer schwerer zu verstehen ist, was diese korrupten, russlandverliebten, faschistoiden, wirklichkeitsfernen Nestbeschmutzer so attraktiv macht. Im Land Brandenburg ist die AFD stärkste Partei derzeit. Und überall macht sie sich in den Parlamenten breit. Dabei ist es von diesen Rechtsradikalen zu den gewaltbereiten Extremisten einer „Reichsbürger“-Szene nicht weit. Da scheint ganz rechts ein Teil der Gesellschaft Deutschlands wegzubrechen.
  • Dabei gibt die Realität brennende Themen vor, die den gesellschaftspolitischen Konsens verlangen. Wir brauchen in der Tat schnellstens die Klimawende. Die aber muss auch sozial verstanden und abgefedert werden.

Aber helfen dabei meist junge Leute, die ihren ideologischen Zugang zu diesem Thema dadurch zur Geltung bringen, dass sie es Krankenwagen versagen, pünktlich ein Notfallopfer in die Klinik zu bringen, weil sie sich auf den Hauptstraßen zur rush hour auf den Asphalt kleben?

Nein, das ist gewiss kein Beitrag zur Klimawende; aber ist es angemessen, solche Gesetzesbrecher, denen man wahrscheinlich auch mehr als Nötigung und Verkehrsbehinderung vorwerfen kann, gleich als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu bezeichnen und sie des Terrors zu verdächtigen?

  • Was ist mit unserer Sprache passiert, wenn sie vornehmlich radikalisiert, anstatt zu mäßigen; wenn sie polarisiert, zum Beispiel, wenn wortgewaltige Sprachdiktatoren der Mehrheit um einer vermeintliche Gendergerechtigkeit Willen künstliche Wortschöpfungen vorgeben, die sich aus Furcht vor diesen neuen Ideologen bis in die letzten schläfrigen Ecken öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ausdehnen?

Mohrenstraße darf es nicht mehr geben, Mohrenköpfe leider sowieso nicht mehr. Zigeunerschnitzel auch nicht; und wie ist es mit dem Wiener Schnitzel. Man wird ja schon ganz unsicher.

Gesellschaft braucht Vertrauen – aber unsere Sprache verschärft oft eher noch die sich ausweitende Sprachkluft, und in der gesellschaftlichen Mitte entsteht Sprachlosigkeit.

Dabei fällt mir auf, dass wir gerne von Minderheiten und ihrem Schutz sprechen, aber die Mehrheit kaum mehr Beachtung findet. Und das erinnert mich wieder an die leidige Debatte um das Impfen gegen Covid. Wenn denn doch gesichert war, dass man die Mehrheit durch das Impfen vor einem schweren Verlauf dieser Atemwegserkrankung schützen kann, warum musste es vor allen Dingen immer um die Minderheit gehen, die sich in ihren individuellen Rechten bedroht sieht und gegen das Impfen war? Es hätte dem sozialen Frieden gedient, wenn es mehrheitsfähig gewesen wäre, den Alten und Kranken das Opfer zu gönnen, sich vor allem in ihrem Interesse impfen zu lassen.

Tatsächlich aber scheint die Gesellschaft nicht von der Mitte her gedacht zu werden, sondern von ihren Rändern. Sie betont das Außergewöhnliche und vernachlässigt das Normale. Wir interessieren uns offenbar mehr für gleichgeschlechtliche Ehen und ihre Kinder als für herkömmliche Familienformen? Und warum sind solche Unterscheidungen heute überhaupt noch wichtig und darum bemerkenswert? Unsere Gesellschaft scheint nicht großzügig, sondern missgönnend.

Was ist es eigentlich für ein Politikverständnis, wenn viele Bürger oft nicht mehr zur Wahl gehen und vorgeben, sich nicht für Politik zu interessieren, wenn dieselben Bürger zur gleichen Zeit doch ihre festen Meinungen haben, wenn es um die Straßenkreuzung vor ihrem Haus, die Krankenversorgung oder den Unterricht für ihre Kinder geht? Da scheinen doch die Transmissionsriemen zwischen individuellen und den sozialen Gesamtinteressen zu fehlen?

Deutschlands Mehrheit ist laut Umfragen der Meinung, die Politik müsse schnellstens gegen den Klimawandel vorgehen; aber wenn es darum geht, im Straßenverkehr auf den eigenen Wagen oder daheim auf die alten Energieträger zu verzichten, dann wird „Halt“ geschrien: Bloß keine eigenen Opfer. Lieber weiter mit dem eigenen Auto.

Viele wollen billig mit der Bundesbahn reisen, das aber Pünktlichkeit und eine bessere Zuginfrastruktur Geld kosten, interessiert offenbar niemand.

Und immer ist es „der Staat“, der liefern soll mit einer Gesellschaft, die vor allem nimmt. Die Gesellschaft erscheint mir wie ein Vampir am eigenen Staat. Geht das gut, wenn wir uns doch alle an die übrigens schon aus den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammende Formulierung des Staatsrechtlers Böckenförde erinnern, wonach „der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann?“

Vielleicht ist aber alles ganz einfach; und die Gesellschaft braucht nur eine stärkere Bundesregierung, die einen klaren Kurs fährt, wie Ende März der Chef der politischen Redaktion der FAZ in Berlin, Eckart Lohse, in seinem Leitartikel „Führung sieht anders aus“ forderte. Der Bundeskanzler ist also schuld!

Wie auch immer: Bei all diesen Punkten geht es mir ein wenig wie einst diesem Walther von der Vogelweide:

Ich sitz auf einem Steine
und decke Bein mit Beine,

Und denke voll Sorgen lange,
dem Weltlauf nach und irdischem Heil;
doch wurde mir kein Rat zuteil.

Zu Beginn der Bundesrepublik, da kann ich mich noch gut an Kommentare meiner Eltern erinnern, horchte man auf, wenn ein Günter Grass oder Heinrich Böll, ein Alfred Grosser oder Johannes Gross ihre Meinung äußerten. Da wurde hingehört. Heute haben kluge Leute eher weniger Einfluss. Eine Ausnahme aber ist unser Gast, Frau Prof. Ursula Münch, an die wir uns mit all unseren unbequemen Beobachtungen und Fragen wenden möchten.

Seit Ende 2011 ist die verheiratete Mutter zweier Kinder Ursula Münch Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und dafür von ihrer Universität, der Bundeswehrhochschule in München, beurlaubt. Seit Kindestagen hat sich Ursula Münch für Politik interessiert; eindringlich in der Erinnerung geblieben sind ihre Jahre um Willy Brandt als Kanzler und seine Ostpolitik.

Die Württembergerin aus Esslingen studierte von 1980-1985 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Politische Wissenschaften, Psychologie und Kommunikationswissenschaften. 1980 wurde Frau Münch mit einer Arbeit zum Thema der Familienpolitik der Bundesrepublik zum Doktor phil. promoviert. Nach einem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten folgte 1996 die Habilitation. Seit 1999 ist sie Professorin für Politikwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München und interessiert sich vor allem für die deutsche Innenpolitik und die vergleichende Regierungslehre. Ihre verschiedenen Ämter in diversen Enquete-Kommissionen oder Hochschulräten möchte ich gar nicht erst erwähnen.

Föderalismus und Parteienforschung, Familienpolitik und innere Sicherheit, die digitale Transformation auf Politik und Wirtschaft, – allgemein die politische Willensbildung sind auch in der Akademie in Tutzing Schwerpunkte ihrer Arbeit. So beobachtet Ursula Münch akribisch die innenpolitischen Drehungen und Wendungen und hält sich doch als Wechselwählerin in Distanz zu den Mandatsträgern und ihren Parteien. Sie gelte als eine der „besten Erklärerinnen der CSU“, hieß es irgendwann einmal, bekannt aber ist auch, dass Frau Münch zu CSU-Chef Söder ein eher gespanntes Verhältnis hat.

Sehr verehrte, liebe Frau Münch! Haben Sie noch einmal sehr herzlichen Dank dafür, dass Sie sich für uns heute Abend hier Zeit genommen haben. Als wir bei unseren Vorgesprächen über das Thema dieses Abends geredet haben, einigten wir uns auf den Titel:

Braucht die Gesellschaft den Zusammenhalt?

Hinterdrein in unserem Kleinen Gremium gab es gleich Widerspruch; natürlich! Wie soll es ohne Zusammenhalt gehen? Ich hatte es aber relativ leicht, den Titel zu verteidigen. Zunächst mal haben wir ein Fragezeichen gesetzt. Vor allem aber wollen wir das Thema ein wenig einengen: Es geht um die Gesellschaft in Deutschland. Und es wird die Frage gestellt, ob es da bei so etwas wie den Zusammenhalt geben kann.

Anders als vielfach auf der Straße, wollen wir vor unbequemen Überlegungen nicht halt machen und uns auch darüber bewusst sein, dass Staat, Demokratie und Gesellschaft nicht mit leichtweg dahingerotzten Schemata zusammengehalten werden können. Da lebt und pulsiert etwas, da ist ständig etwas in Bewegung. Immer ein Risiko, aber immer auch neue Verantwortung, Freiheit und neue Chance.

Jetzt allerdings wünsche ich Ihnen zunächst einmal einen wunderbaren Käsegang; danach werde ich die Tafel aufheben. Dann werden wir uns im Weißen Saal zum Vortrag von Frau Prof. Münch wieder zusammenfinden.

195. Zusammenkunft am 1. Juni 2023 Burg Trausnitz in Landshut

Vortrag
Prof. Dr. Ursula Münch
„Braucht die Gesellschaft den Zusammenhalt?“

Sehr geehrter Herr Dr. Bremer,  sehr geehrter Herr Präsident Schreiber,  sehr geehrte Mitglieder des Bremer Tabak-Collegiums,

zwei Feststellungen gleich zu Beginn des Vortrags. Grundsätzlich vertrete ich die Auffassung, und werde diese im Anschluss auch begründen, dass unsere Gesellschaft nicht gespalten ist:

Die weit überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung bewegt sich in der politischen „Mitte“.

Aber ich muss zugeben: Die Vielfalt und Vielzahl der Krisen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft bereiten auch mir Sorgen. Und diese Sorgen werden angesichts aktueller Meinungsumfragen und der im Herbst 2024 anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nicht kleiner. Und wir alle kennen weitere Gründe zur Besorgnis: Nicht zuletzt die Unversöhnlichkeit, mit der Debatten über „Klimakleber“, „Gendersternchen“ und Heizungen (!) geführt werden. Ich kann also durchaus nachvollziehen, dass mancher Beobachter von einer „Spaltung“ der Gesellschaft spricht. Gleichzeitig halte ich die häufigen Appelle in Festreden, „wir“ bräuchten dringend „mehr Zusammenhalt“ für nicht angemessen.

Dies werde ich im Folgenden begründen und nähere mich meinem Thema dazu in drei Schritten:

  1. Die Herausforderung der Demokratie
  2. Warum die These von der gesellschaftlichen Spaltung zwar populär, aber meines Erachtens sachlich falsch ist.
  3. Warum es weniger um „den Zusammenhalt“ als um etwas anderes geht

Die Herausforderung der Demokratie 

Wir sind Zeitzeugen von einschneidenden Entwicklungen, die sich direkt oder indirekt auf den Bestand unserer Demokratie auswirken:

  • Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelt sich die multilaterale Weltordnung immer weiter zu einer „Weltunordnung“,
  • Die Klimakrise zeitigt bereits jetzt katastrophale Folgen für große Teile der Menschheit,
  • Die Digitalisierung wälzt nicht nur das Leben und Arbeiten komplett um, sondern bedroht womöglich auch unsere offene Gesellschaft.
  • An den Krieg in Europa haben wir uns als Beobachter zwar einerseits gewöhnt, andererseits treibt uns das mit ihm verbundene Eskalationspotential sehr um.

Es ist keineswegs nur das Ausmaß der jeweiligen Krise und Notlage brisant. Vielmehr müssen wir die Folgen dieser Krisen für die Stabilität unserer Demokratie bedenken.

Schließlich gibt es schon deshalb einen Zusammenhang zwischen Krisen und Demokratiegefährdung, weil all diese Umbrüche ausgerechnet in einer Zeit großer gesellschaftlicher Veränderungen über uns hereinbrechen. Woran lassen sich die gesellschaftlichen Veränderungen festmachen?

Ich nenne als Beispiele

  • die wachsende gesellschaftliche Heterogenität und der demografische Wandel insgesamt,
  • Emanzipationsprozesse, Wertewandel, Individualisierung,
  • Orientierungsverlust durch die Vielfalt an Optionen der Lebensführung.

Zu den Folgen dieser Veränderungen gehört, dass Identitätsthemen mehr Bedeutung erhalten. Woher kommt das?

Das hat damit zu tun, dass weite Teile der Bevölkerung sich in ihrer eigenen Identität und ihrer eigenen Lebensführung gefährdet sehen. Dazu tragen gerade auch Heizungsgesetze bei.

Viele Leute befürchten, dass sie selbst oder ihre Kinder angesichts der Umbrüche nicht mehr mithalten können und den Anschluss verlieren. Das leistet dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Machtlosigkeit Vorschub. Von den etablierten Parteien, die man jahrzehntelang gewählt hat, fühlt man sich dabei im Stich gelassen. Wer Machtlosigkeit empfindet, will zurück in die Zeit des Bekannten und Vertrauen; der setzt verstärkt auf Tradition, Kultur, Sprache, nationale Grenzen – und wird darin von populistischen oder extremistischen Parteien bestärkt. Eine Partei wie die AfD besinnt sich genau auf jenes Altbewährte. Ihr gelingt es, den abstrakten „Feind“ durch einen konkreten zu ersetzen: etwa den Flüchtling.

Identitätskonflikte äußern sich auch in nationalistischem Denken sowie in Unverständnis zwischen der Bevölkerung in Stadt und Land (Zentrum-Peripherie-Konflikte) oder im Einfordern von Proporzregeln durch Minderheiten bzw. Aktivisten, die die Wiedergutmachung früherer und aktueller Benachteiligungen reklamieren.

Zu allem Überfluss verzeichnen wir außerdem, dass die Bindung an gesellschaftliche Organisationen nachlässt.

Parteien, Kirchen und Verbände verlieren aus unterschiedlichen Gründen Mitglieder, Unterstützung und damit Bedeutung.

Im Zuge dieses sog. „Strukturwandels des Intermediären“ geht uns allen etwas verloren:

  • Erstens die Fähigkeit dieser Institutionen zur Reduktion von Komplexität und
  • zweitens die (politische) Mäßigung.

Beispiele dafür, dass dem öffentlichen Diskurs die Mäßigung abhandengekommen ist, kennen Sie alle: Ich nenne nur die Debatte um die sog. „Klima-Kleber“. Deren Bereitschaft, den Rest der Bevölkerung zu nötigen, kann man als besonnener Mensch nicht gutheißen. Gleichzeitig sollte man m.E. aber auch nicht übersehen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Desinteresse von Öffentlichkeit und Politik an den berechtigten Anliegen dieser Aktivisten und deren zunehmender (und zu verurteilender) Radikalisierung.

Es ist jedoch nicht nur eine Verhärtung des öffentlichen und politischen Diskurses zu beklagen, sondern auch dessen Manipulation. Das hat damit zu tun, dass die Lücke, die durch den Bedeutungsverlust der intermediären Organisationen entstanden ist, durch digital vernetzte Extremisten und Störer besetzt wird.

Überhaupt scheint mir, dass den wenigsten Zeitgenossen bewusst ist, wie dramatisch die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten die Gesellschaft und die Politik in Deutschland, in Europa, in der Welt tatsächlich verändern.

Sowohl auf der „Senderseite“ als auch auf der „Empfängerseite“ erzeugen die Digitalisierung der Kommunikation und der damit einhergehende Bedeutungsverlust sog. „Gatekeeper“ einen großen Einschnitt:

  • Journalisten sind nicht mehr die exklusiven Mittler zwischen Individuum und Welt: Sie haben ihre zentrale Rolle bei der Einordnung und der Prüfung von Wahrheit und Relevanz verloren.
  • In der Folge prasseln Informationen (richtige und falsche) ohne die Einordnung ihrer Glaubwürdigkeit und Relevanz auf die Öffentlichkeit ein.

Die neue Unübersichtlichkeit angesichts der vielen digitalen Absender von Informationen birgt Risiken – gerade auch für unsere freiheitliche Demokratie.

Diese ist nämlich auf etwas Elementares angewiesen: auf eine durch die Medien vermittelte öffentliche Debatte, die möglichst frei von Manipulationen stattfindet.

Natürlich. Auch in vordigitalen Zeiten gab es Meinungsmonopole und Verzerrungen.

Aber die Unterschiede sind empirisch nachweisbar: Im gerade erst beginnenden digitalen Zeitalter schaukeln sich die Debatten schneller hoch als dies bis zum Jahr 2007 der Fall war, also dem Jahr als Apple sein erstes iPhone auf den Markt brachte.

Wie gesagt: Wir stehen gerade erst am Anfang der Beeinflussung öffentlicher Meinung durch digitale Werkzeuge. Über das diesbezügliche Potential sog. „Generativer KI“ können wir derzeit nur mutmaßen. Wir wissen aber durchaus, dass sog. Sprachmodelle wie etwa Chat-GPT ihren „output“ auf der Grundlage der Texte produzieren, auf die sie trainiert wurden: also dem Geschriebenen im gesamten Internet. Werden immer mehr Texte durch KI „generiert“, dann sinkt der Anteil der menschenproduzierten Diskussionsbeiträge kontinuierlich. Hannes Bajohr beschrieb eines der damit verbundenen Probleme vor einigen Wochen in der NZZ folgendermaßen: „In der Datenmenge schwimmen auch all die „biases“, also die Vorurteile und Irrtümer, Rassismen und Sexismen, die die digitale Sphäre beinhalten“ (NZZ 25.4.2023).

Krisenzeiten gehen mit Unsicherheit einher, also mit der Wahrnehmung von Instabilität und Bedrohungsgefühlen. Die Konfrontation mit unvorhergesehenen negativen Ereignissen und Veränderungen verstärkt zum einen bei manchen Menschen das Gefühl, einen Kontrollverlust zu erleiden. Zum anderen führen Krisen häufig zu Enttäuschung über bestehende staatliche Strukturen und Institutionen. „Der“ Politik wird unterstellt, nicht angemessen auf die Krise zu reagieren oder einzelne Gruppen unfair zu handeln.

Aber natürlich gibt es immer auch die Krisenprofiteure: In diesem Fall sind es extremistische Gruppen, die sich als vermeintliche Lösung bzw. Alternative zu den angeblich weltfremden Eliten in den Hauptstädten präsentieren:

  • Diese Extremisten bieten Gruppengefühl statt individueller Verunsicherung, also Zusammenhalt in der Gemeinschaft und damit Zugehörigkeit als Schutz vor Bedrohung und als Alternative zu offiziellen Strukturen.
  • Sie halten ein Angebot an Erklärungen für die Ursachen der Krise parat. Damit ermöglichen sie die Identifikation von vermeintlich Schuldigen bzw. Verantwortlichen für die Krise.
  • Und vor allem bieten sie den Verunsicherten alternative Ideologien und Visionen für eine (vermeintlich) gerechtere Gesellschaft an.

Doch selbst der große Teil der Bevölkerung, der auf Abstand zu Extremisten bleibt, verändert in Krisen die Einstellungen und die Erwartungen an den Staat.

Den damit verbundenen Erwartungsdruck haben sich die Parteien auch selbst zuzuschreiben. Sie haben ihn schließlich über Jahre hinweg (v.a. aber während Corona) fleißig genährt.

In der Folge haben wir neben all den akuten Problemen noch ein ganz grundsätzliches: Immer mehr Menschen sehen den Staat nicht mehr in erster Linie als eine die Freiheit und den Frieden sichernde demokratische staatliche Ordnung. Sondern: Viele sehen ihn vor allem als Dienstleister – mit den Bürgern als Konsumenten dieser Dienstleistungen. Das ist nicht das Menschenbild unserer freiheitlichen Demokratie und schon gar nicht einer Marktwirtschaft – auch nicht unserer sozialen Marktwirtschaft.

Umfrageergebnisse

Dass Ost- und Westdeutsche unsere demokratische Ordnung recht unterschiedlich beurteilen, ist bekannt. Zuletzt zeigte das eine Umfrage im Auftrag des Ostbeauftragten der Bundesregierung, die Anfang Oktober 2022 veröffentlicht wurde. Zentrale Ergebnisse zur Zufriedenheit mit der Demokratie:

  • 59 % der Westdeutschen sind zufrieden
  • Nur 39 % der Ostdeutschen

Auffallend an der Studie sind die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen: vor allem in Abhängigkeit von ihrer sozialen Lebenslage und vom Wohnort. Besonders niedrig ist die Zufriedenheit der Leute, die selbst angeben, einen niedrigen sozialen Status zu haben und die in Gegenden leben, die vergleichsweise schlecht mit Infrastruktur und Daseinsfürsorge ausgestattet sind. Auch die Ergebnisse einer repräsentativen Allensbach-Umfrage vom Februar letzten Jahres irritieren: Immerhin 46 % aller Befragten (44 % Westdeutschland, 58 % Ostdeutschland) stimmten der Aussage zu, „Wir brauchen einen starken Politiker an der Spitze, keine endlosen Debatten und Kompromisse“.

Dass es also Belege für eine gewisse Radikalisierung gibt, ist nicht zu übersehen. Das spricht also durchaus für die These einer möglichen Spaltung der Gesellschaft.

Beendete ich meinen Vortrag an dieser Stelle, könnten Sie zurecht feststellen, dass das von mir gewählte Fragezeichen im Vortragstitel überflüssig ist. Aber: Es geht ja weiter.

Warum die These von der gesellschaftlichen Spaltung zwar populär, aber meines Erachtens sachlich falsch ist

 

Bei allem Respekt vor den derzeitigen Krisen und den harten Kontroversen in Politik und Gesellschaft. Wir sollten uns m.E. auch immer wieder daran erinnern, wie groß die gesellschaftlichen Konflikte z.B. in den 1970er Jahren waren: Auch diese Stichworte kennen Sie alle: „Radikalenerlass“, Wiederbewaffnung – Nachrüstung, § 218 StGB, WAA Wackersdorf u.a. .

Und: Es gibt weitere Argumente, die meine These unterstützen, dass wir uns nicht auf eine Spaltung der Gesellschaft zubewegen, in der sich Probleme überhaupt nicht mehr lösen ließen. Ich verweise auf eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2021: Vor der letzten Bundestagswahl im September 2021 wurde die Bereitschaft abgefragt, neben der eigentlichen Parteipräferenz auch die Wahl einer anderen Partei in Betracht zu ziehen: Diese Bereitschaft war bemerkenswert groß (KAS-Studie: „Vermessung der Wählerschaft vor der Bundestagswahl 2021“).

Das heißt: Es ist nicht so, als hätte sich unsere Gesellschaft bereits in fundamentale Lager auseinanderdividiert, als hätten wir nur noch Grabenkämpfe. Wir befinden uns nach meiner Einschätzung nicht in einer Welt von zwei konträren oder miteinander in Konflikt stehenden Gesinnungslagern. Zweifelsohne: Unsere Gesellschaft ist nicht konfliktfrei, nicht einmal konfliktarm. Aber: Die Pufferzone innerhalb unserer Gesellschaft, diese Welt des Dazwischen, des „sowohl als auch“ – sie ist groß.

Warum dann dennoch ständig die Rede von der gespaltenen Gesellschaft? Warum behaupten manche, wir erlebten bereits etwas, was der Soziologe Steffen Mau von der Berliner Humboldt-Universität „die Kamel-Gesellschaft“ nennt: Polarisiert, zerstritten. Und das symbolisiert durch die beiden Höcker, mit einem tiefen Graben dazwischen.

Diesem seines Erachtens falschen Bild von der angeblichen „Kamel-Gesellschaft“ stellt der Kollege Steffen Mau sein empirisch untermauertes Bild von der einhöckrigen „Dromedar-Gesellschaft“ entgegen: Damit umschreibt er, dass wir eine Normalverteilung an Meinungen verzeichnen: Die meisten Menschen befänden sich in der Mitte des Meinungsspektrums, die meisten hätten zu den meisten Themen moderate Einstellungen.

Dieser beruhigende Sachverhalt lässt sich sogar an den schwierigen Themen Klimapolitik und auch Migration zeigen; ungeachtet durchaus erbitterter Meinungsverschiedenheiten beobachten wir hier auch viel Bewegung aufeinander zu:

  • Anders als in den 1980er Jahren sorgen sich heute nicht mehr nur Personen mit hoher Bildung und höherem Einkommen sowie junge Menschen um Umwelt und Klima. Das Umweltbewusstsein ist vielmehr in die gesamte Gesellschaft diffundiert.
  • Anders als in den 1970er und 1980er Jahren befürworten die meisten Bürgerinnen und Bürger inzwischen Migration. Einerseits aus humanitären Gründen, andererseits wegen unserer eigenen demografischen Entwicklung. Was fast alle aber entschieden ablehnen, ist der laxe Umgang mit „irregulärer“ Migration.

Warum ist die Spaltungsthese dennoch so verbreitet?

Unsere Wahrnehmung der Welt und damit auch die „Selbstbeobachtung“ der Gesellschaft werden uns überwiegend durch die Medien vermittelt.

Die Beschreibung einer angeblich gespaltenen Gesellschaft kommt uns auch deshalb plausibel vor, weil wir die fortwährende mediale und politische Inszenierung von Konflikten als Abbild realer Meinungslandschaften missverstehen.

Mit dieser Feststellung will ich keinesfalls Medienschelte betreiben, sondern weise lediglich auf eine zwangsläufige Folge der Funktionsweise auch seriöser Medien hin: Menschen interessiert nicht „das Normale“, sondern das Besondere. Das ist nicht ein Ergebnis des Geschäftsmodells aller Medien, sondern auch unserer eigenen Aufmerksamkeitsökonomie. Da nur jene Themen Nachrichtenwert besitzen, die kontrovers sind oder von einer bestimmten Norm abweichen, werden tendenziell Extrempositionen überbetont: An den Rändern wird „lauter“ (im Sinne von radikaler) gesprochen. Die digitalen Plattformen verstärken dabei die menschlichen Stimmen zusätzlich durch algorithmenbasierte Verstärkereffekte. Aber auch die analogen Zeitungen mit den großen Überschriften schüren gern Stimmungen und heizen die Debatten mit hoher Kontroversität und hohem Konfliktpotenzial weiter an.

Ich halte das Schlagwort von der angeblichen Spaltung der Gesellschaft aber auch deshalb für ungeeignet, weil es suggeriert, dass sich zwei ähnlich große Gruppen gegenüberstehen: zahlenmäßig stimmt das nicht. Wir sollten also genauer hinschauen: Das Bild, das sich dann bietet, ist zwar ebenfalls unerfreulich, aber es ist ein anderes. Es geht nämlich um die Abwendung einer radikalisierten Minderheit von der Mehrheitsgesellschaft und von den Grundprinzipien unserer demokratischen Gesellschaft.

Und diese Minderheit erhält sehr viel Aufmerksamkeit und erscheint uns größer als sie tatsächlich ist – nicht zuletzt wegen einer gekonnten Selbstinszenierung.

Wie geht eine Mediengesellschaft mit dieser Verzerrung um? Das Wichtigste ist sicherlich sorgfältige Berichterstattung. Aber: Das ist leichter gesagt als getan. Der Bedeutungsverlust öffentlich-rechtlicher Medien und der seriösen Lokalzeitungen ist offensichtlich – und er ist ein Problem mit beträchtlichen Folgen.

Warum es weniger um „den Zusammenhalt“ als um etwas anderes geht

Meine Diagnose, dass es keine gesellschaftliche Spaltung gibt, ist eine Beschreibung des Istzustands: Eine Prognose, ob das auch so bleiben wird, kann ich nicht treffen.

Was ist zu tun, damit wir auch weiterhin von einer gesellschaftlichen Spaltung, wie wir sie für die USA beobachten, verschont bleiben? Nicht nur „die Politik“, sondern gerade auch die schweigende Mehrheit ist meines Erachtens in der Pflicht, auf den Verlust an Vertrauen in Politik, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft zu reagieren.

Ich beschränke mich auf einen Aspekt, der mir für die Mitglieder des Bremer Tabak-Collegiums besonders wichtig erscheint. Ich meine die Bedeutung von Unternehmen und Arbeitgebern und beziehe mich auf die Ergebnisse des „Edelman Trust Barometer“ für Deutschland:

In diesen jährlichen Befragungen zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit schneidet die Wirtschaft anders als die Bereiche Politik und Medien gut ab.

Die Wirtschaft wird von den meisten Befragten nach wie vor als „kompetent“ und „ethisch“ angesehen: in den letzten drei Jahren sind die Ansehenswerte der Wirtschaft sogar gestiegen.

Aufschlussreich und durchaus überraschend: Den Unternehmen und ihrem Führungspersonal wird sogar Bedeutung für etwas zugewiesen, was die Herausgeber des Edelman Trust Barometers als „Informationsökosystem“ bezeichnen.

Damit ist gemeint, dass Unternehmen als eine Quelle für zuverlässige Informationen angesehen werden. Die darin zum Ausdruck kommende Vorbildfunktion erhält gerade in Zeiten digitaler Kommunikation eine immer größere Bedeutung: Je mehr Menschen ihre Informationen vor allem aus den digitalen Netzwerken und von online-Plattformen beziehen, umso bedeutsamer wird der persönliche Umgang mit integren Persönlichkeiten.

Egal ob man in einem Unternehmen oder in anderen Bereichen Verantwortung trägt:

Es liegt an uns, ob wir es zulassen, dass unsere demokratische Ordnung und unser Rechtsstaat herabgewürdigt werden oder weiterhin das Ansehen genießen, das diese Ordnung erstens uneingeschränkt verdient und das Sie (großgeschrieben) zweitens benötigen, um weiterhin erfolgreich Ihren Geschäften nachgehen zu können.

Es liegt auch an unserem Reden und Verhalten, ob Fehler und Fehlentscheidungen unserer politischen Repräsentanten zum Staatsversagen hochstilisiert werden.

Und es liegt an uns, ob die „kleinen Leute“ sich darauf verlassen können, dass auch ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Wer nach einer Anregung sucht, wie er oder sie einen Beitrag dazu leisten kann, dass auch die Generation unserer Enkel noch in Freiheit und Demokratie leben kann, könnte sich nach meiner Einschätzung mit folgenden Gegebenheiten auseinandersetzen:

  1. Gerade die Schwächeren in einer Gesellschaft sind auf zwei Dinge besonders angewiesen: auf die sicherheits- und sozialpolitische Handlungsfähigkeit der Politik und auf die Gewährleistungen des Rechtsstaates. Gerade die Schwächeren können sich nämlich weder die innere noch ihre soziale Sicherheit privat einkaufen. Und gerade die einfachen Leute sind darauf angewiesen, dass nicht „Vitamin B“ oder Bestechungsgeld entscheiden, sondern eine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen arbeitende Verwaltung.
  1. Nationalismus fängt meist leise an, er geht weiter mit dem Rückzug aus wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Offenheit, und er kann im Desaster enden. Gerade weil der Nationalismus so schleichend daherkommt, will ich an eine Warnung des damaligen französischen Staatspräsidenten Mitterrand im Januar 1995 vor dem Europäischen Parlament erinnern. Mitterrand stellte damals fest: „Nationalismus heißt Krieg. Krieg, das ist nicht nur Vergangenheit. Er kann auch unsere Zukunft sein.“
  1. Unsere Gesellschaft braucht nicht „den Zusammenhalt“. Den kann es – jenseits einer grundsätzlichen Einigkeit über die Spielregeln in einer rechtsstaatlichen Demokratie – in einer so vielfältigen Gesellschaft ja auch gar nicht geben. Was wir aber brauchen, sind die Vorbilder. Also diejenigen, die ihrem Umfeld vorleben, dass sie verstanden haben, was es mit dem viel zitierten Böckenförde-Diktum auf sich hat, wonach der „freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann.“
  1. Geschichte wiederholt sich nicht. Aber man kann das eine oder andere doch aus ihr lernen. Ich erlaube mir aus der Rede von Prof. Dr. Eric Voegelin anlässlich des Festaktes zur Eröffnung der Akademie für Politische Bildung im Februar 1959 zu zitieren:

„Eine Demokratie ist kein Schlaraffenland, in dem der friedliche Bürger seinen Geschäften nachgehen und sich des Wirtschaftswunders freuen kann, sondern ein Zustand der täglichen, wohlgeübten und zur Gewohnheit gewordenen Wachsamkeit und Disziplin in den Grundfragen des politischen Lebens.“

Das heißt: Von nichts kommt nichts. Die größte Gefahr für Demokratie und Pluralismus sind bekanntlich nicht ihre Gegner, sondern die Gleichgültigkeit ihrer Anhänger.

Wir brauchen also nicht „den Zusammenhalt“, sondern eine streitbare und urteilsfähige Bürger- und Unternehmerschaft, die sich verpflichtet fühlt, ihren eigenen aktiven Beitrag zum Erhalt unserer Demokratie und unserer rechtsstaatlichen Ordnung zu leisten.

Auch aus diesem Grund bedanke ich mich sehr für die ehrenvolle Einladung zur 195. Zusammenkunft des Bremer Tabak-Collegiums hier auf der Burg Trausnitz.

Heike Ahrens-Kulenkampff
Rechtsanwältin und Notarin
Rechtsanwälte Blaum, Dettmers & Rabstein,
Bremen

Dr. Ralf Altenhof
Leiter politisches Bildungsforum Bremen
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Bremen

Sebastian M. Balles
Unternehmer
Wunsiedel

Cord Behrens
Geschäftsführender Gesellschafter
GPP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Bremen

Ludwig Blomeyer-Bartenstein
Sprecher der Geschäftsleitung
Deutsche Bank AG, Bremen

Matthias Böhm
Geschäftsführender Gesellschafter
Lampe & Schwartze KG, Bremen

Thomas Brandl
Geschäftsführender Gesellschafter
Drei Bond GmbH, Ismaning

Dr. Jörg Bremer
Journalist, Historiker und Autor
Berlin
ehem. Korrespondent und Redakteur Frankfurter
Allgemeine Zeitung
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Dr. Thomas Brinkmann, LL.M. (Tulane)
Rechtsanwalt u. Notar
Dr. Schackow & Partner – Rechtsanwälte und
Notare, Bremen
Sprecher ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Dr. Christoph Bubb
Plastischer Chirurg
Landshut

Honorarkonsul Eduard Dubbers-Albrecht
Geschäftsführer
IPSEN LOGISTICS HOLDING GmbH & Co. KG,
Bremen
Präses der Handelskammer Bremen –
IHK für Bremen und Bremerhaven
königlich Dänischer Konsul a.h.

Dipl.-Kfm. Patrick Engels
Geschäftsführender Gesellschafter
Pöschl Tobacco Group, Geisenhausen
Vorsitzender des Vorstands
Verband der deutschen Rauchtabakindustrie e.V., Berlin
Chairman
European Smoking Tobacco Association, Brüssel

Dr. Peter Feldhaus
CEO
Onyx Germany GmbH, Berlin

Jürgen Fitschen
Vorsitzender des Vorstandes
Deutsche Bank Stiftung, Frankfurt am Main
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Michael von Foerster
Hauptgeschäftsführer und Rechtsanwalt
Verband der deutschen Rauchtabakindustrie,
Berlin

Bert Gausepohl
Geschäftsführer
Bühnen GmbH & Co. KG, Bremen

Christian Gehlert
Geschäftsführer
BSS Brandschutz Sichelstiehl GmbH, Nürnberg

Prof. Dr. Herwig Guratzsch
Hamburg
Ehem. Direktor Stiftung Schleswig-Holsteinische
Landesmuseen, Schleswig
ehem. Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer
Tabak-Collegium

Pfarrer Udo Hahn
Direktor
Evangelische Akademie Tutzing

Jan Peter Hartmann, CFA
Co-Founder
WH Inv. Man. SICAV, Küsnacht ZH/Schweiz

Achim Hartz
München

Philip W. Herwig
Geschäftsführender Gesellschafter
Röhlig Logistics GmbH & Co. KG, Bremen

Georg Hessler
Director Product Related Support
Fujitsu, München

Dr. Hans-Joachim Heßler
Präsident
Oberlandesgericht München
Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes

Antonia Hochwimmer
Geschäftsführerin
Mediamotiv GmbH, München

Peter Hoedemaker
Bremen

Markus Hoffmann
ODDO BHF SE Bremen

Prof. Dr. Elke Holinski-Feder
Geschäftsführerin
Medizinisch Genetisches Zentrum München

Wolfgang Holzberger
Head of Logistics Investment Management
Catella Real Estate AG, München

Andreas Huber
Stiftungsvorstand/Geschäftsführer
Stiftung Begegnungszentrum der Erzdiözese
München und Freising

Christoph Huber
Vorsitzender der Geschäftsführung
MAN Truck & Bus Deutschland GmbH, München

Dr. Katrin Janis
Leiterin des Restaurierungszentrums
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser,
Gärten und Seen, München

Prof. Dr.-Ing. Marcus Jautze
Vize-Präsident
Hochschule Landshut

Julian Vincent Jessen
Geschäftsführer
DevHelden GmbH, Flensburg

Horst Jürgens
Vorsitzender des Beirates
H. Jürgens Holding GmbH, Bremen

Dr. Stefan Kasperowski
Werksleiter
BMW Group Werk Landshut

Dr. Peter Kleinschmidt
München
Internationaler Leiter der Rechtsabteilung von
EADS

Jürgen Knepper
Rechtsanwalt, Grünwald

Rebecca K. Kreuzgrabe
Generalbevollmächtigte und Mitglied ‚Kleines
Gremium‘
Bremer Tabak-Collegium

Dr. Martin Kühner
Managing Director/Vice Chairman Germany
Houlihan Lokey, München

Hans-Dieter Lampe
Geschäftsführender Gesellschafter
Handelsgesellschaft Frantz Kragh GmbH, Bremen
ehem. Generalbevollmächtigter des Bremer
Tabak-Collegiums

Dipl.-Ing. Philipp Lehnert
Managing Director
Vector Foiltec Holding GmbH, Bremen

S.H. Raphael Freiherr von Lichtenstern
Partner
Siemens Advanta Consulting, Nabburg-Neusath

Dr. Thomas Lindner
Vorsitzender des Aufsichtsrates
Groz-Beckert KG, Albstadt

Marcel Linnemann
Geschäftsführer
Justus Grosse GmbH, Bremen

S.D. Ferdinand Prinz zur
Lippe-Weißenfeld M.A.
Rechtsanwalt
SLB Kloepper Rechtsanwälte, München

Dipl.-Kfm. Jens Lütjen
Geschäftsführender Gesellschafter
Robert C. Spies KG, Bremen

Robert Mahn
Mitglied des Vorstandes
Minerva Versicherungs-AG, Bremen

Markus Mainka
Leiter der Kommunikation Standort Bremen
Mercedes Benz AG – Werk Bremen

Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff
Ottobrunn
Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D.
Präsident des Bundesfinanzhofes a.D.
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Dr. Ariane Mittenberger-Huber
Vors. Richterin
Bundespatentgericht, München

George C. Muhle
Geschäftsführender Gesellschafter
Atermann König & Pavenstedt GmbH & Co. KG,
Bremen

Prof. Dr. Ursula Münch
Direktorin
Akademie für politische Bildung, Tutzing

Cornelius Neumann-Redlin
Hauptgeschäftsführer
Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V.

Minister a.D. Prof. Dr. Dr. h.c.
Karl-Heinz Paqué
Vorsitzender
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit,
Potsdam
Professor für Volkswirtschaftslehre an der
Otto-von Guericke-Universität Magdeburg
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Christoph S. Peper
Geschäftsführender Gesellschafter
Peper & Söhne Projekt GmbH, Bremen

PD Dr. Dominik Pförringer
Orthopäde
Praxis für Orthopädie und Unfallchirugie,
München

Dr. Dirk Plump
Geschäftsführender Gesellschafter
W. Tiemann GmbH & Co. KG, Bremen

S.K.H. Dr. Oskar Prinz von Preußen
Geschäftsführender Gesellschafter
MCG Media Consulting Group, München

S.H. Caspar Graf von Preysing
Partner
PwC Germany/Digital Infrastruktur Advisory,
Eching/Kronwinkl

Dr. Christiane Raabe
Direktorin
Internationale Jugendbibliothek, München

Prof. em. Dr. Hans-Peter Richter
Ulm

Dr. Jörg Ritter
Partner
Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, München

Jürgen Roggemann
Gesellschafter
Enno Roggemann GmbH & Co., Bremen

S.H. Christoph Freiherr von Rosenberg
CFO
ifm Unternehmensgruppe, Essen

Alexander Ruddat
Geschäftsführender Gesellschafter
Ruddat Grundbesitz GmbH & Co. KG, Bremen

S.K.H. Michael Prinz von
Sachsen-Weimar und Eisenach
Mannheim

Senator E.h. Prof. Dr. h.c. mult. Klaus
Gerhard Saur
München
ehem. Geschäftsf. Gesellschafter Walter de
Gruyter GmbH Verlag, Berlin
ehem. Mitglied ‚Kleines Gremium‘, Bremer
Tabak-Collegium

Nikolaus Schadeck
Partner
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,
Bremen

Dr. Hans-Christoph Schimmelpfennig
Partner Emeritus/Rechtsanwalt
Noerr Rechtsanwälte, München
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Dr. Karsten Schneiker
Mitglied des Vorstandes
swb Aktiengesellschaft, Bremen

Bernd Schreiber
Präsident
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser,
Gärten und Seen, München

Dr. Jürgen Schumacher
Rottach-Egern

Hellmut Seemann
ehem. Präsident
Klassik Stiftung Weimar
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Caspar Seemann
Partner
Hartz Regehr & Partner GmbH Vermögensverwaltung,
München

Dr. Dorothea Sommer
Stellvertr. Generaldirektorin
Bayerische Staatsbibliothek, München

Ralf Stapp
Vorsitzender der Geschäftsführung
Bremer Aufbau-Bank GmbH, Bremen

Michael Stark
Oberammergau
IHK- Hauptgeschäftsführer i.R.

Max F. Stegemann
Mitglied des Vorstands
Minerva Versicherungs-AG, Bremen

Karl-Heinz Steigmann
Bremen

Honorarkonsul Chawkat Takla
Gesellschafter
Miditec Datensysteme GmbH, Bremen
Honorarkonsul der Arabischen Republik Syrien

Hajo-Günter Thümen
Präsident
Tanverco AG, Zollikerberg/Schweiz

Raimund Trenkler
Vorsitzender des Vorstandes
Kronberg Academy Stiftung, Kronberg

Walter Vogg
Hauptgeschäftsführer
Bayerische Chemieverbände, München

Dr. Philipp-Christian Wachs
Gesellschafter
Wachs, Hesselbarth & Co Strategy Advisors GbR,
Hamburg

Dr.-Ing. Werner Weigl
Geschäftsführender Gesellschafter
BBI Ingenieure GmbH, Landshut

Dr. Patrick Wendisch
Geschäftsführender Gesellschafter
Lampe & Schwartze KG, Bremen
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium
Präsident der Eiswette von 1829

General a.D. Volker Wieker
Ganderkesee
Generalinspekteur der Bundeswehr a.D.
Mitglied ‚Kleines Gremium‘ Bremer Tabak-Collegium

Minister a.D. Dr. Otto Wiesheu
Rechtsanwalt
Bayrischer Staatsminister für Wirtschaft,
Infrastruktur, Verkehr und Technologie a. D.
Präsident der Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft

Malte Wilkens
Geschäftsführer
Peper & Söhne Projekt GmbH, Bremen

Sven Witzenhause
Leiter Strategic Projects & Local Affairs
Mercedes-Benz Group AG, Stuttgart

Frederik Wulff
Vorsitzender des Vorstandes
Markel Insurance SE, München