Begrüßung – General a.D. Volker Wieker
Sehr verehrte Damen, meine Herren,
liebe Freunde des Bremer Tabak-Collegiums,
im Namen des „Kleinen Gremiums“ heiße ich Sie herzlich willkommen im „Blankeneser-Backstein-Barock“, der Führungsakademie der Bundeswehr.
Mithin die höchste Ausbildungsstätte unserer Streitkräfte und daher auch thematisch durchaus naheliegend, wenn wir uns heute mit dem Thema „Globale Zeitenwende – Deutschlands und Europas Rolle in diesem Spannungsfeld“ auseinandersetzen wollen.
Daher begrüße ich an dieser Stelle ganz herzlich die Vizepräsidentin des „German Marshal Fund“, Frau Dr. Claudia Major, die uns nachher mit ihrer nunmehr transatlantischen und pan-europäischen Expertise dieses Spannungsfeld nahebringen wird; herzlich willkommen!
Und natürlich unseren Gastgeber, Herrn Konteradmiral Ralf Kuchler, mir persönlich noch als mein Adjutant im anderen Leben bestens vertraut.
Lieber Herr Kuchler, ganz herzlichen Dank, dass wir heute hier sein können.
Meine Damen und Herren,
auch wenn man mittlerweile selbst dem so genannten „Lodenmantelgeschwader“ angehört, birgt das heutige Treffen natürlich auch für mich noch einige Sentimentalitäten, da man selbst schon als „Schlieffen-Pimpf“ auf den Spuren Graf Baudissins durch diese ehrwürdigen Hallen streunte, um strategisches Denken zu lernen.
Heute würde man so etwas wohl „extended sabbatical“ oder „bootcamp“ für das obere Management nennen.
Aber damit möchte ich Sie, liebe Gäste, natürlich nicht langweilen, zumal Admiral Kuchler beim Essen mutmaßlich noch ausführlich das Hohe Lied auf die Alma Mater unseres Führungsnachwuchses anstimmen wird.
Allemal besser jedenfalls, als das in meiner verklärten Rückschau bei Ihnen verfangen würde.
Erlaubt sei mir aber bitte noch eine Erfahrung, die ich aus der Rückschau mit Ihnen teilen möchte, weil sie nicht nur unser Miteinander damals prägte, sondern auch in noch viel größeren Zusammenhängen Bestand wahrt: „Äußerer Druck erzeugt innere Bindung“.
Denn ob des äußeren Drucks war die Solidarität in unserer hochberufenen Neigungsgruppe damals sprichwörtlich, auch wenn sie später mit zunehmendem Edelmetall auf der Schulter durch Konkurrenzgebaren spürbar ein wenig verwässerte.
Und dennoch bleibt es ein soziales Phänomen, das durchaus auch einige Fragestellungen zu den Ursachen vieler Unwuchten in unseren heutigen Bildungseinrichtungen aufwirft, da sie vielmehr durch Individualismus als aufrichtigen Gemeinsinn getrieben und dabei durch die sozialen Medien noch befeuert werden.
Allemal aber lässt es sich in das Spannungsfeld heutiger Machtpolitik übertragen und ebnet dabei fast unbemerkt den Weg einer Besinnung auf das Gemeinsame, denn nur daraus erwächst jene gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und schließlich militärische Stärke, die auch das Kalkül eines Gegenübers beeindrucken werden.
Allein dieser gedankliche Brückenschlag, liebe Gäste, begründet aber nicht hinlänglich, warum wir unsere mittlerweile 200. Zusammenkunft an einer schlichten Akademie abhalten; – in einem unüberwindlichen Funkloch, wie Sie inzwischen alle festgestellt haben; – ohne Pfeifenrauch und wahrhaften Kerzenschein, die dem Brandschutzbemühen unseres umtriebigen Hausmeisters anheimgefallen sind; – und über allem in Hamburg, der „nicht ganz so schönen Hansestadt nordöstlich von Bremen“, wie Dr. Bovenschulte sie noch im Dezember 2023 apostrophierte.
Nun, das Funkloch wird unserer intimen Atmosphäre durchaus zuträglich sein, leuchtende Augen sowie der ein oder andere Heiligenschein können auch erhellen und Tabakentzug wirkt unstrittig enthemmend.
Das dazu; aber warum ausgerechnet Hamburg, dessen Rathaus auch schon mal als Tagungsstätte erwogen, wegen des deutlich jüngeren Baujahrs von rund 500 Jahren nach dem Bremer Rathaus dann aber wieder verworfen wurde, erschließt sich erst auf den zweiten Blick.
Ja, da ist zunächst der genetische Fußabdruck, denn es liegt förmlich im Wesen der Hansestädte, zu harmonieren und nicht miteinander zu konkurrieren.
Dabei verblassen selbst unterschiedliche Größe und Einwohnerzahl dieser Städte in einer relativen Betrachtung ihrer wirklich bedeutenden Vorzüge und Stärken; – da werden Sie mir sicher folgen, meine Damen und Herren, wenn ich einige Beispiele bemühe:
So stellt Bremen schon mit rund 700.000 Einwohnern einen Fußballclub für die Bundesliga, während Hamburg dafür immerhin 940.000 Einwohner benötigt. Wir konstatieren also eine signifikant höhere Leistungsbereitschaft der Bremer Bürger.
Auch ein Blick auf die Wirtschaftsleistung verdeutlicht dieses Bild eindrücklich. So schlägt Hamburg auf rund 72 Quadratkilometern Hafenfläche nur 97 Mio. Tonnen Güter jährlich um, während Bremen für dreiviertel des Umschlages von 74 Mio. Tonnen Güter weniger als die Hälfte der Fläche mit 30,5 Quadratkilometern benötigt. Das sagt uns natürlich auch etwas über die Leistungsfähigkeit Bremer Logistikunternehmen.
Noch sehr viel beeindruckender, – das sei mir zugestanden -, fällt ein Blick auf die Verteidigungsindustrie aus, denn hier spielt Bremen mit vielen überaus namhaften Unternehmen neben München in der Champions League, während Hamburg noch um den Aufstieg in die Regionalliga kämpft und sich dabei gerne auf maritime Ausleihen der umgarnten Partnerstadt abstützt.
Das Feigenblatt der „Friedensklausel“ an Bremer Universitäten ist vor diesem Hintergrund eher ein kosmetischer Lidschatten; – man muss ja auch der Klientelpolitik seinen Tribut zollen.
Getrübt wird dieser überwältigende Eindruck tatsächlich nur durch einen Blick auf die Medienlandschaft, denn hier erlangt Hamburg durch Spiegel, Zeit, Gruner & Jahr, den Boulevard und den NDR natürlich ein kleines Übergewicht gegenüber Weserkurier und Radio Bremen, aber das hat natürlich auch etwas mit dem Sendungsbewusstsein und Understatement an der Weser zu tun und sollte von uns mit Wohlwollen begleitet werden.
So gab auch diese Haltung dann schließlich den Ausschlag für unseren heutigen Veranstaltungsort.
Nach dem Motto „Campus statt Schlossgarten“ haben wir die Neigung des „Kleinen Gremiums“ zu eher monumentaler Infrastruktur rigoros unterdrückt und möchten Sie auch mit der Ortswahl zu intellektueller Anteilnahme motivieren, anstatt durch optische Eindrücke abzulenken.
Künstliches Licht, kalte Pfeife und eingeschränkte Bewegungsprofile werden diesen Fokus noch verstärken und harmonieren gleichermaßen mit den Grundsätzen des Masseträgheitsgesetzes, deren Symptome auch der Bundeswehr in ihrem Regelungseifer durchaus vertraut sind.
Darüber ist selbst der Kommandeur dieser Einrichtung nicht erhaben, dem ich noch einmal herzlich für die erwiesene Gastfreundschaft danke. Gemeinsam mit Ihnen, sehr verehrte Gäste, mache ich das jetzt mit unserem traditionellen Löffeltrunk und bitte Sie, es mir mit Ihrem Gesprächspartner gleichzutun.
Der Trinkspruch lautet: