Meine Herren,
entschuldigen Sie, wenn ich Sie vorweg frage: sind Sie Willens und imstande und nicht zu müde, um sich 40 Minuten lang etwas halbwegs Solides anzuhören oder soll ich ein paar Anekdoten aus meinem Leben erzählen und dann besaufen wir uns alle sinnlos?
Herr Schmitz, was tun? Es scheint eine Mehrheit für die zweite Option zu geben? Wir machen Beides! Eine salomonische, sozialdemokratische Lösung!
Meine Herren,
liebe Fürstin,
und verzeihen Sie mir, wenn ich einen Gast namentlich erwähne, lieber Bruder Wilhelm,
ich freue mich wirklich sehr, dass ich hier bin, und ich möchte mit zwei, drei persönlichen Sätzen anfangen:
Es ist, glaube ich, mein dritter Besuch in Emmeram. Der erste Besuch liegt nicht weit zurück. Das heißt, ich habe 68 Jahre meines Lebens vertan, weil ich bis dahin nicht auf Emmeram gewesen bin. Es ist die dritte Einladung und die Intervalle zwischen den Einladungen werden immer kürzer. Das lässt mich hoffen, dass ich in absehbarer Zeit hier ganz einziehen werde! Wenn die Intervalle kürzer werden, werde ich mir irgendwann überlegen, die Reisen auszulassen und meinen Haupt- Wohnsitz hierher zu verlegen – natürlich unter Aufgabe aller Privilegien des Deutschen Sozial- und Wohlfahrtstaates. Ich möchte Ihnen zu mir folgendes sagen: fast alles, was Herr Schmitz gesagt hat, war richtig, bis auf die Sachen, die er verdreht hat. Aber das war nicht sehr relevant.
Vor Ihnen steht Europa!
Ich weiß, dafür bin ich zu klein, aber irgendwo muss man ja anfangen. Mein Vater war Russe, meine Mutter war Österreicherin, meine Schwester hat versehentlich einen Franzosen geheiratet, ich habe eine katholische Bayerin geheiratet, wir haben einen adeligen Jack Russel zu Hause und dazu als Zweithund eine Tel Aviver Promenadenmischung – bunter und weltoffener kann man doch gar nicht sein.
Ich habe auch eine Menge Migrationshintergrund zu bieten: Mein Opa väterlicherseits war ein Pferdedieb. Mein Vater erzählte immer, wie günstig er die Pferde eingekauft hat aber er ließ sich nicht darüber aus, unter welchen Umständen er sie eingekauft hat.
Also ein Opa war Pferdedieb, der andere war immerhin Uhrmacher und ich stehe jetzt hier in diesem wunderbaren Saal und rede zu Ihnen.
Ich glaube, ich bin der lebende Beweis dafür, dass man es auch, trotz eines Migrationshintergrundes soweit bringen kann.
Allerdings habe ich immer schwer daran gearbeitet und ich habe mich nie gescheut, meinen Migrationshintergrund in den Vordergrund zu schieben. Und Sie sehen, es hat sich ausgezahlt.
Ich werde ungefähr 40 Minuten zu Ihnen sprechen, und wenn Sie irgendwann finden, es reicht, es ist zu lange, Sie wollen raus und Sie wollen lieber fernsehen – nun ja, es ist schon zu spät für das ‚heute Journal‘, aber für die Spätausgabe der ‚Tagesthemen‘ könnten Sie es noch schaffen, dann geben Sie einfach ein Zeichen, und ich werde aufhören.
Ich rede zu Ihnen über eins meiner wichtigsten Themen, wie ich finde: über Toleranz.
Googeln Sie einmal ‚Toleranz‘ und Sie werden überrascht sein, wie viele Toleranz- Preise es in Deutschland gibt. Jeden Tag wird zwar keiner verliehen aber mindestens einmal pro Woche. Und das allein ist schon ganz erstaunlich: diese Konjunktur der Toleranz.
Das hat offenbar auch etwas mit der Willkommens-Kultur zu tun und beide haben offenbar etwas zu tun mit einem deutschen Nachholbedürfnis: gut zu sein.
Deswegen möchte ich mit einer These anfangen, der die meisten von Ihnen nicht zustimmen werden. Auch gut! Die These ist ganz kurz: Unser Problem ist nicht ein zu wenig, sondern ein zu viel an Toleranz. Intoleranz ist das Gebot der Stunde.
Tolerieren bedeutet wörtlich dulden, gewähren lassen.
Wer die Güte hat, jemanden zu tolerieren, hat auch die Macht, ihn zu vernichten, wenn er es sich anders überlegt hat. Das Wort Toleranz ist positiv besetzt, hat aber eine fragwürdige Bedeutung. Es beinhaltet keinen Anspruch, keine Garantie und kein Recht, auf das man sich berufen, das man einfordern kann. Es ist nur eine Absichtserklärung, eine Geste der Großzügigkeit, sozusagen ein privater Schutzraum für marginale Existenzen, der auf das Wohlwollen der Gesellschaft angewiesen ist. Toleranz ist auch kein Wert an sich. Es kommt immer darauf an, wer und was toleriert wird.
Können praktizierende Juden und bekennende Antisemiten erwarten, gleichermaßen toleriert zu werden? Gilt das auch für Schwule und Schwulenhasser, für Christen und Christenhasser, für Kinder und Kinderschänder, für Raucher und Nichtraucher, für Kannibalen und Vegetarier?
In einer Gesellschaft, in der fast jeder nach seiner Fasson glücklich werden darf, in der nicht mehr zwischen richtig und falsch, gut und böse, gesund und krank unterschieden wird, weil das bereits eine Wertung und damit eine Diskriminierung enthalten könnte, in einer Gesellschaft, in der man sich nicht einmal auf die Regeln der Rechtsschreibung einigen kann, kann es auch keinen Konsens über die Grenzen der Toleranz geben. So versteht jeder unter Toleranz etwas anderes.
Der Grüne Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik fordert zum Beispiel, ‚Null Toleranz‘ gegenüber rassistischen, antisemitischen und sexistischen Äußerungen. Der türkisch-deutsche Schriftsteller Zafer Senocak ruft nach ‚Null Toleranz‘ gegenüber radikalen Islamisten, die jeden Vertrag mit der zivilisierten Menschheit aufgekündigt haben. Der Regensburger Bischof Müller verspricht ‚Null Toleranz‘ gegenüber pädophilen Priestern. Ganz anders dagegen die Staatsanwaltschaft in Osnabrück, die einen vorbestraften pädophilen Mann in einen Kindergarten schickt, damit er dort gemeinnützige Arbeit leistet.
Um die Toleranz der Berliner zu testen, geht ein Redakteur der TAZ, der Tageszeitung, mit einer Kippa auf dem Kopf in Neukölln und Lichtenberg spazieren. Fazit des Berliner Selbstversuchs: „In Neukölln habe ich mich stellenweise unsicher gefühlt, in Lichtenberg unwohl!“. Das sind die feinen Berliner Unterschiede. Der Begriff Toleranz wird im operativen Geschäft täglich neu definiert. Die Bundesagentur für Arbeit hat vor einiger Zeit bestätigt, dass die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Bereich der Prostitution mit einem Überbrückungsgeld oder mit einem Existenzgründungszuschuss möglich ist, dass also arbeitslose Frauen, die auf den Strich gehen möchten, von der Bundesagentur für die Arbeit eine Förderung bekommen können, während zugleich Projekte unterstützt werden, die den Frauen den Ausstieg aus dem Milieu erleichtern sollen. Vorher schon hatte ein 43 Jahre alter Sozialhilfeempfänger in Bayern bei der zuständigen Behörde einen Antrag zur Gewährung von Beihilfen zur Abwehr sexueller Entzugserscheinungen eingereicht. Auf seiner Wunschliste standen Bordellbesuche, der Einkauf von Pornofilmen und Kontaktmagazinen, auch die Fahrtkosten zur Videothek wollte er erstattet haben, alles in allem EUR 2.500,00. Das Amt lehnte ab, der Mann reichte beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage ein.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, das vermutlich immer noch schwebt, möchte man auch gerne wissen, ob der mittellose Kläger vom Gericht Prozesskostenhilfe zuerkannt bekommen hat, um seinen Anwalt bezahlen zu können.
Die Frage, wie viel Toleranz sich eine Gesellschaft leisten kann, ohne einen Bankrott zu riskieren oder der Lächerlichkeit anheim zu fallen, stellt sich vor allem in Gesellschaften, in denen Gleichheit einen höheren Stellenwert als Freiheit hat.
Freiheit schließt auch Gefahren ein. Gleichheit schafft alle Unterscheide ab, damit niemand benachteiligt wird.
Die Schlagersängerin Nena, selbst recht erfolgreich, gehört in Hamburg zu den Gründern einer Schule, an der es, Zitat: „keinen Unterricht gibt, es sei denn er würde von Schülern ausdrücklich gewünscht“.
Stattdessen gibt es eine einmal wöchentlich tagende Schulversammlung, in der jeder Schüler und jeder Lehrer eine Stimme hat. So werden die Kinder schon früh auf das Leben in der Leistungsgesellschaft vorbereitet, in der sich jeder Sozialhilfeempfänger frei entfalten darf, solange der dumme Rest, der bei Opel am Fließband steht, dafür aufkommt.
Wie beim Spiel ohne Grenze kommt es auch bei der Toleranz darauf an, geschickter und rücksichtsloser, als die anderen zu sein. Und schämen darf man sich schon gar nicht.
Ein wegen Mordes an einem elfjährigen Kind rechtskräftig zu lebenslander Haft verurteilter Mann, erklärt seine Absicht, eine Stiftung zu Gunsten junger Gewaltopfer zu gründen. Diese Stiftung soll ‚Horizonte‘ heißen. Die Eltern des Opfers, von denen der Mann eine Million Euro Lösegeld erpresst hatte, finden die Idee überhaupt nicht witzig; ein Teil der Öffentlichkeit ist aber durchaus beeindruckt. Die Gründung scheitert schließlich an einem Einspruch der zuständigen Aufsichtsbehörde.
Der Mörder führt aus der Haft heraus mehrere Prozesse gegen die Bundesrepublik und verlangt unter anderem EUR 10.000,00 Schmerzensgeld, weil ihm bei seiner Vernehmung durch die Polizei Ohrfeigen abgedroht wurden. Woraufhin er das Versteck des inzwischen toten Kindes preisgab.
Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wird vom Oberlandesgericht Frankfurt abgelehnt, das Bundesverfassungsgericht hebt den Beschluss des Oberlandegerichts auf, da diese Entscheidung – so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung – das Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit des Antragsstellers verletzt. So wird der Mörder eines Kindes, das keine Chance hatte, seine Entführung zu überleben, eine faire Chance bekommen, für die Qualen, die er bei der Vernehmung erleiden musste, angemessen entschädigt zu werden.
Eine andere Geschichte des gleichen Kalibers: Nachdem der ‚Spiegel‘ in einer Titel- Geschichte über die schlechte Behandlung muslimischer Frauen durch Ihre eigenen Väter, Männer und Brüder berichtet hatte, meldete ein Berliner Soziologe, dessen Name hier absichtlich nicht genannt werden soll, weil er es nicht verdient hat, in diesem Kreis genannt zu werden, der das Milieu aus den Studien anderer Soziologen genau kennt, Widerspruch an. Er schrieb: „Zwangsheiraten, Brautpreise, Ehrentötungen und anderes das gibt es genauso, wie es auf einheimischer Seite Zwangsentführungen von Kindern, Familientragödien und Bedrohung entfremdeter Ehepartner gibt.“ Leider vergaß der Berliner Soziologe zu erwähne, wann er zum letzten Mal von einem Fall gehört hat, bei dem eine bodenständige Allgäuer Familie beschlossen hätte, eine Tochter, die Schande über die Familie gebracht hatte, umzubringen, um die Ehre der Familie zu retten und die Vollstreckung des Urteils dem jüngsten Sohn überließ, weil er noch unter das Jungendstrafrecht viel. Genauso einen Fall hat es in einer türkischen Migranten-Familie in Berlin gegeben, die ein tiefes Vertrauen in das deutsche Strafrecht mit einer soliden Kenntnis des Familienrechts verband. Die Eltern der ermordeten Frau beantragten das Erziehungsrecht für den Sohn ihrer toten Tochter, damit der Junge nicht in dem moralisch verdorbenen Umfeld aufwächst, in dem seine Mutter auf die schiefe Bahn geraten war, weswegen sie sterben musste.
Allein der Witz von dem Elternmörder, der das Gericht um mildernde Umstände bittet, weil er keine Mutter und keinen Vater mehr habe, ist noch einen Zacken besser.
Das, liebe Freunde, ist kein Kulturrelativismus mehr, es ist Kumpanei mit einer Form der Gewalt, die sich als Tradition legitimiert.
Sensible Intelektuelle, die gerne von struktureller Gewalt sprechen, wenn Arbeiterkinder an Gymnasien unterrepräsentiert sind, verfallen einem morbiden Understatement, wenn es um wirkliche Gewalt geht.
So spricht auch der schon erwähnte Berliner Soziologe von „dramatisierten Problemen“, die aus anderen Einwanderer-Familien bekannt sind und nach der ersten oder zweiten Generation verschwinden. BINGO!
Abgesehen davon, dass es vor allem die dritte Generation ist, die sich mit der Integration schwer tut, wird es eine zwangsverheirate 15-jährige Importbraut ganz bestimmt trösten, wenn ihr kurz vor dem Vollzug der Ehe jemand zuruft: „Nimm‘s leicht, Ayse, Deine Enkelinnen werden es besser haben!“.
Meine Herren, vor einigen Jahren ging ein Foto um die Welt, dass bei einer Palästina- Demo in Berlin aufgenommen wurde. Nun gibt es in Berlin ganz viele und ganz oft Palästina-Demos. Aber da ist etwas Besonderes passiert. Das Foto zeigt einen Vater, der seine etwa fünf Jahre alte Tochter auf den Schultern trägt. Der Mann schaut grimmig drein. Das Mädchen lächelt schüchtern. Das Bild hätte auch auf einer Demo gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren gemacht werden können, wenn da nicht ein irritierendes Detail gewesen wäre: Irgendjemand hat dem Mädchen eine Bombenattrappe um den Bauch gebunden und ein Stirnband umgelegt, wie es von islamischen Märtyrern getragen wird. Einen Tag vor der Demo in Berlin hatte sich eine junge Frau in Jerusalem in den Tod gesprengt und dabei sechs Israelis mitgenommen.
Grund genug zu prüfen, ob ein Fall von Kindesmissbrauch oder Gewaltverherrlichung vorliegen könnte oder gar beides.
In Frage kämen auch die Straftatbestände Volksverhetzung bzw. Aufforderung zu Straftaten hieß es aus dem Haus des für die öffentliche Sicherheit zuständigen Innensenators, der zugleich versprach, es werde „gegenüber solcher Gewaltbereitschaft keine Toleranz geben“.
Er sagte: „Hier wurde offen für Mord geworben. Ich will solche Leute nicht in der Stadt haben!“. Auch der damalige Bundesinnenminister empfahl ein hartes Vorgehen. Kinder als symbolhafte Verherrlichung von Morden und zur Werbung für Terrorakte zu missbrauchen ist absolut unerträglich.
Ganz Berlin war außer sich. Nur ein Sprecher der Palästinensischen Generalvertretung, wie die PLO-Botschaft offiziell firmiert, behielt die Nerven und klärte die Lage auf. Er sagte, „Da wurde jemand eingeschleppt, der das Bild der Palästinenser verunglimpfen soll“. Es dauerte nicht lange, und die Polizei hatte den angeblichen agent provocateur gefunden. Es war ein 33 Jahre alter Palästinenser aus dem Libanon, der seit 1,5 Jahren als geduldeter Asylbewerber in einem Berliner Wohnheim lebte. Seine Frau und die drei Kinder waren schon fünf Jahre vor ihm nach Deutschland gekommen.
Er wurde festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und wieder entlassen, nachdem er sich zur Sache nicht äußern wollte.
„Die Beamten haben ihm ein Vernehmungsangebot gemacht. Jetzt muss er sich entscheiden, ob er aussagt“, sagte ein Sprecher der Justizverwaltung.
Eine Sprecherin des Innensenators sagte, man prüfe parallel zum laufenden Strafverfahren, welche ausländerrechtlichen Möglichkeiten es gebe, den Mann abzuschieben.
Das habe sich jedoch wiederholt als sehr schwierig erwiesen, was wir inzwischen anhand vieler Fälle aus dem BAMF wissen.
Ein paar Wochen später klagte die Staatsanwaltschaft den Mann an, Straftaten in einer Weise gebilligt zu haben, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Darauf stehen bis zu drei Jahren Haft.
Es kommt zu einem Verfahren vor dem Amtsgericht. Der Angeklagte spricht kein Deutsch. Jedes Wort muss übersetzt werden. Er habe nicht die Selbstmordattentate billigen, sondern nur auf das Palästinenser-Problem aufmerksam machen wollen. Der Staatsanwalt beantragt sechs Monate Haft auf Bewährung. Das Urteil lautet fünf Monate auf Bewährung dazu 300 Stunden gemeinnützige Arbeit. Von einem Widerruf der Duldung oder der Abschiebung redet niemand mehr.
An dieser Stelle verliert sich die Spur des liebevollen Vaters in den Medien. Lebt er noch geduldet in Berlin oder hat er inzwischen Asyl bekommen? Und was machen seine drei Kinder? Gehen sie noch zur Schule oder basteln sie inzwischen auch Bombenattrappen? Schließt der Mann die deutsche Justiz in seine Gebete ein oder macht er irgendetwas ganz anderes? Wir wissen es nicht.
Leider werden sollte Fälle von den Medien nur gemeldet aber nicht weiterverfolgt.
Eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, mit jugendlichen Intensivtätern fertig zu werden, die nationalbefreite Zonen und No-Go-Areas duldet, in denen autochthone Glatzen oder Unterprivilegierte mit Migrationshintergrund das Sagen haben, ist nicht Willens gegenüber Diktatoren und Despoten eine andere Haltung, als die des Gewährenlassens einzunehmen.
Losungen wie ‚Wandel durch Handeln‘ oder ‚Wandel durch Annäherung‘ beschreiben nur eine asymmetrische Situation, in der die eine Seite den letzten Rest ihres schlechten Gewissens zu beruhigen versucht, während die andere Seite sich fröhlich selbst verwirklicht.
Alles, was man über den heldenhaften Einsatz Europas bei der Durchsetzung von Menschenrechten wissen muss, ist eine Nebensächlichkeit aus der Zeit der Taliban -Herrschaft. Damals fanden die öffentliche Hinrichtungen im Stadion von Kabul statt, das von der EU finanziert worden war. Ein verhaltender Protest der Europäer gegen diese Zweckentfremdung wurde von den Taliban mit dem Rat beantwortet, die Europäer sollten ein zweites Stadion bauen, wenn sie mit der Nutzung des ersten nicht einverstanden wären. Das war‘s! Und wäre das Taliban-Regime nicht bald darauf mit Gewalt beseitigt worden, hätten die Europäer möglicherweise die Anregung in die Tat umgesetzt, als einen Beitrag zur Förderung der Zivilgesellschaft in Afghanistan.
Zurück nach Deutschland. Wir sind in Regensburg und diese Regensburg-Geschichte kennen Sie alle aber ich will Sie doch noch einmal in Details daran erinnern:
Nachdem Papst Benedikt XVI am 12. September 2006 in der Regensburger Universität im Rahmen einer Vorlesung über Glauben und Vernunft, Religion und Gewalt auch über die Frage gesprochen hatte, wer der Gott des Propheten Mohammeds ist, brach in der Islamischen Welt ein Sturm der Empörung aus. Dabei hatte der Papst nicht einmal seine Meinung geäußert, sondern nur zitiert. Nämlich aus einem Gespräch zwischen dem Gelehrten byzantinischen Kaiser Manuel II mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit.
In dem Gespräch, das im Jahre 1391 stattgefunden hatte, sagt Kaiser Manuel II Folgendes: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden, wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Eine Wahrheit, wie sie schlichter und ergreifender nicht sein könnte. Allerdings in Zeiten erhöhter Sensibilität gegenüber dem Islam müssen auch historische Tatsachen neu evaluiert werden.
Unter anderen die, dass Mohammed kein Mitglied der Internationalen Kriegsdienstverweigerer war, sondern ein Feldherr, der mit Feuer und Schwert umzugehen verstand.
Und so musste auch der Papst erleben, dass man Moslems nicht ungestraft eine Neigung zu Gewalt unterstellen kann und das jeder, der es tut, umgehend mit Gewaltandrohung zur Ordnung gerufen wird.
Als erstes reagierte die staatliche türkische Religionsbehörde, deren Vorsitzender erklärte, der Papst habe eine Kreuzfahrer-Mentalität und feindsinnige Haltung an den Tag gelegt. Die Äußerungen des Papstes müssten zurück genommen werden. Wie man ein 615 Jahre altes Zitat zurücknimmt, verriet er nicht.
Auch der Generalsekretär des Deutschen Zentralrates der Muslime und der Vorsitzende des Deutschen Islamrates wiesen den Papst auf die Sünden des Christentums hin, die sie ihm aber – dem Dialog zuliebe – nicht zur Last legen wollten. Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich.
Doch das war nur das Vorspiel. Die Welle der Empörung nahm in der Türkei ihren Anfang und verbreitete sich bald über Ägypten, den Iran und Pakistan bis nach Indonesien.
Die Moslembrüderschaft rief die Regierungen der Islamischen Staaten auf, ihre Beziehungen zum Vatikan abzubrechen, wenn sich der Papst nicht entschuldige. Ein führender Politiker der türkischen Regierungspartei AKP nannte den Papst in einem Atemzug mit Hitler und Mussolini – einen Mann, der die Mentalität der Kreuzfahrer wiederbelebt. Das pakistanische Parlament – bekanntlich ein Hort der Menschenrechte – forderte einstimmig eine Entschuldigung des Papstes. In der Begründung hieß es, wer den Islam als eine intolerante Religion bezeichnet, der fordert Gewalt heraus. Der Drohung wurde mit Demonstrationen Nachdruck verliehen, die mit Plakaten garniert waren, auf denen zu lesen war „Jihad is our way!“.
In Ägypten rief die islamische Arbeitspartei zu Protesten auf: „Wacht auf Muslime, der Papst beleidigt den Propheten!“.
Die Organisation der islamischen Konferenz, die 57 islamisch verfasste Staaten vertritt, sprach von einer Verleumdungskampange gegen den Propheten Mohammed und betonte, die Moslems hätten immer Zurückhaltung geübt, statt die Kreuzzüge der Christen zu kritisieren.
Die ‚Grünen‘ in Deutschland warfen dem Papst vor, mit seinen einseitigen, merkwürdig geschichtsblinden Aussagen das Christentum über andere Religionen zu stellen. Ähnliche Argumente werden gerade von der gleichen Seite in der Debatte um das Kreuz über dem Berliner Stadtschloss geäußert. Man wolle nicht das Christentum über andere Religionen stellen.
Um die Situation zu beruhigen gab der Vatikansprecher eine Erklärung ab, in der er versicherte, der Papst habe nicht die Absicht gehabt, die Sensibilität der muslimischen Gläubigen zu verletzen. Doch für solche unverbindlichen Freundlichkeiten war es bereits zu spät.
Wie schon ein halbes Jahr zuvor im Fall des dänischen Mohammed-Karikaturen- Streites waren viele Muslims überzeugt, die Rede des Papstes sei Teil eines Krieges, den der Westen in die muslimische Welt führte, wie in Afghanistan, im Irak und im Libanon, wie es ein ägyptischer Politiker formulierte; und auf dem Sender Al Jazeera hieß es, man wusste ja, dass sich der Papst mit dem internationalen Zionismus verbündet hat. Ich finde, mit wem sonst soll er sich verbünden?
Da zog der Vatikan die Notbremse. Hatte die Kirche 359 Jahre gebraucht, um Galileo Galilei zu rehabilitieren und das Urteil aus dem Jahre 1633 aufzuheben, reagierte sie jetzt schon vier (!) Tage nach der Regensburger Vorlesung des Papstes. Zitat: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.“
Was das Urteil des byzantinischen Kaisers über die Muslime betrifft, so habe der Papst nicht beabsichtigt und beabsichtigt keinesfalls, es sich zu eigen zu machen. Darüber bedauere der Heilige Stuhl zutiefst, dass einige Passagen seiner Rede als Beleidigung des Empfindens gläubiger Muslime klingen konnten, und dass sie in einer Weise interpretiert werden, die keinesfalls seinen Intentionen entspricht. Soweit die Erklärung des Vatikans. Diese Erklärung des Vatikans war keine Entschuldigung aber sie kam einer solchen sehr nahe.
Der Vorsitzende der türkischen Religionsbehörde äußerte sich zufrieden. Auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland war sehr froh und glücklich über die Klarstellung.
Die Muslimbruderschaft hatte allerdings mehr erwartet und war ein wenig enttäuscht.
Einen Tag darauf meldete sich der Papst persönlich zu Wort. Er wäre tief betrübt, sagte er beim Angelus-Gebet, dass eine Passage seiner Rede als beleidigend für muslimische Gläubige verstanden wurde.
Zitat: „Es handelte sich dabei um eine Zitat eines mittelalterlichen Textes, das in keiner Weise mein persönliches Denken wiederspielgelt. Das sagte der Nachfolger Petri in der Ansprache, die von Al Jazeera live in die muslimische Welt übertragen wurde. Eine extrem kooperative Geste, wenn bedenkt, dass in Saudi Arabien sogar der Besitz und die Einfuhr von Bibeln verboten ist.
Streng formal betrachtet hatte der Papst sich auch diesmal nicht entschuldigt, sondern nur heftig zurück gerudert.
Aber so, wie es bei dem anstößigen Zitat nicht darauf ankam, wie es gemeint war, sondern, wie es in der muslimischen Welt verstanden wurde, so war es auch bei der Nicht-Entschuldigung entscheidend, wie sie bei Adressaten ankommt.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland begrüßte die Klarstellung. Sie sei ein wichtiger Schritt gewesen, um die Proteste der letzten Tage in vielen Teilen der Welt zu beruhigen.
Ein Sprecher der muslimischen Moslembrüderschaft erklärte, gleichgültig, ob der Papst es in guter oder in schlechter Absicht gesagt hat, wir akzeptieren seine Entschuldigung, denn wir wollen keine Krise zwischen Muslime und Christen heraufbeschwören.
Das war auch ganz im Sinne des Vatikans und deswegen wurde die Behauptung, der Papst habe sich entschuldigt, nicht richtig gestellt. Derweil wurde in Somalia eine 65jährige italienische Nonne, die als Krankenschwester in einem Krankenhaus arbeitete, erschossen, worauf der Vatikan-Sprecher, Frederico Lombardi, sagte, er hoffe, dass es sich bei dem Tod der Nonne um einen vereinzelten Vorfall handelte. Mehr war nicht drin!
Weder gingen militante Christen auf die Straße, noch sah sich irgendeine muslimische Autorität veranlasst, ihr Bedauern über den Vorfall auszudrücken, denn es ging nicht um eine 600 Jahre altes islamkritisches Zitat, sondern um eine antichristliche Bluttat von heute, wie sie in islamischen Gesellschaften öfter vorkommen, ohne dass sie vom Westen entsprechend wahrgenommen werden.
Dafür noch ein aktuelles Bespiel vom Evangelischen Kirchentag in Berlin, der gerade stattgefunden hat, da hat der Landesbischoff Berlin-Brandenburgschlesische Lausitz in einer Diskussion gesagt, man dürfe die Christenverfolgung auch nicht dramatisieren. Er wollte vermutlich kein Öl ins Feuer gießen. Dafür hat er aber sehr klar gemacht, wie die Evangelische Kirche sich zu der Christenverfolgung verhält: Sie ignoriert sie.
Das Problem, das der Westen mit dem Islam hat und das er mit Ausdauer, Entgegenkommen und Toleranz zu entschärfen versucht, wäre mit einem Schlag gelöst, wenn der Westen den Vorschlag eines engen Vertrauerten von Osama Bin Laden angenommen und durchgesetzt hätte: Aiman al-Sawahiri wandte sich kurz vor dem 5. Jahrestag von 9/11 mit einer Video-Botschaft an das amerikanische Volk und an die Menschen im Westen und forderte sie auf, zum Islam überzutreten. Dann übergab Bin Ladens Stellvertreter das Wort an den Kalifornier Adam Yahiye Gadahn, der selbst zum Islam konvertiert war und sich der Bin Laden-Gruppe angeschlossen hatte. Der sagte, „wir laden alle Amerikaner und Ungläubigen ein, zum Islam zu konvertieren. Ihr wisst, wenn ihr als Ungläubige im Kampf gegen die Muslime sterbt, kommt ihr direkt in die Hölle. Die Zeit, die richtige Entscheidung zu treffen, läuft ab. Entscheidet Euch heute, denn heute könnte Euer letzter Tag sein!“.
Menschen und viele meiner Kollegen, die Ihr Wissen über den Islam aus dem Feuilleton der ‚Süddeutschen Zeitung‘, der ‚TAZ‘ und den Rundschreiben Ihrer lokalen Arbeitsgemeinschaft ‚Frieden‘ beziehen, neigen dazu, solche Angebote als Rhetorik abzutun.
Die Möglichkeit, nur die Möglichkeit, dass sie ernst gemeint sein könnten, übertrifft ihre Vorstellungskraft, weil sie selbst nie auf den Gedanken kämen, ihre Lebensart anderen unter Androhung von Gewalt aufzwingen zu wollen. Im Gegenteil – das Fremde zieht sie an!
Sie besuchen Meditationskurse, unterrichten Kung Fu, richten ihre Wohnungen nach den Regeln von Feng Shui ein, verachten die Schulmedizin und bekämpfen Schmerzen aller Art mit Akkupunktur. Wenn sie am späten Abend nicht zu müde sind, weil sie den ganzen Tag Krombacher Pils gesoffen haben, um den Brasilianischen Regenwald zu retten, dann schauen sie sich noch auf ARTE einen indischen Spielfilm in der Originalfassung an.
Dass es eine Kultur geben könnte, die sich selbst zum Maß aller Dinge nimmt und das Fremde so schätzt, wie die Schlange das Kaninchen, das wollen und können sie nicht zur Kenntnis nehmen, weil es ihre Überzeugung gefährden würde, dass man lieb und nett zu anderen sein muss, damit die anderen auch lieb und nett zu einem selbst sind.
Deshalb lassen sie den Gedanken, dass es doch einen clash of civilisations geben könnte gar nicht erst zu und bestehen darauf, dass alle Konflikte im Dialog gelöst werden können.
‚Menschenverachtend‘ ist ihr Lieblingswort, das sie wie ein Kaugummi im Munde führen. Aber sie wenden es nur an, wenn sie sich über die versteckten Kameras bei Lidl aufregen; nicht, wenn Ehebrecherinnen im Iran gesteinigt werden. Das finden sie zwar nicht gut, aber sie weisen in diesem Zusammenhang immer darauf hin, dass der Anteil der Frauen an den Hochschulen im Iran größer ist, als in den meisten europäischen Ländern.
An dieser Stelle muss auch kurz die in der Justiz um sich greifende Toleranz erwähnt werden. Die Gerichte – ich will fair sein – einige Gerichte, die meisten Gerichte, fast alle Gerichte legen eine schier unvorstellbare Milde an den Tag, wenn sie es mit jugendlichen Gewalttätern zu tun haben, denen sie die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft durch Strafmaßnahmen nicht verbauen wollen. Der ‚Mengenrabatt‘, den Intensivtäter bekommen, hat durchaus eine erzieherische Funktion.
Wenn zehn Straftaten nicht wesentlich härter bestraft werden, als fünf, dann wird auch der letzte Schulabbrecher begreifen, dass Leistung sich in jedem Fall bezahlt macht.
In Köln wurde vor einigen Jahren ein 18 Jahre junger Mann, der als 17jähriger einen 44 Jahre alten Kölner bei einem Streit um die Benutzung einer Telefonzelle ins Koma geschlagen hatte, wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Zu diesem Zeitpunkt war er der Justiz schon als ‚Intensivtäter‘ bekannt. Übrigens eines der wunderbaren neuen Worte, wie sie Klemperer in seiner Lingua Tertii Imperii wahrscheinlich aufgenommen hätte, INTENSIVTÄTER. Intensiv ist eigentlich etwas Schönes. Sie haben ein intensives Erlebnis. Sie erleben den Sonnenuntergang auf Capri, den Sonnenaufgang in Duisburg, das sind intensive Erlebnisse – aber bei einem Kriminellen von Intensivtäter zu sprechen, das ist schon sehr gewagt.
Nur eine Woche vor diesem Verfahren hat er wegen Raubes vor einem Richter gestanden, der ihm eine Strafe nicht zumuten wollte. Auch das folgende Verfahren wegen schwerer Körperverletzung ging glücklich aus. Das Gericht beließ es bei einer Schuldfeststellung und verzichtete auf eine Bestrafung. Keine Bewährungsstrafe, keine Geldstrafe, keine Sozialstunden oder sonstige Sanktionen notierte der Kölner Stadtanzeiger mit einem Anflug von Verwunderung.
Der Angeklagte, so ein Sprecher des Gerichts, habe die Provokation nicht gesucht, sondern so, wie es im Milieu üblich ist, adäquat gehandelt. Der Täter bekam die Auflage, regelmäßig Kontakt zu einem Bewährungshelfer zu halten und ein Anti- Aggressions-Training zu absolvieren.
Das Gericht war überzeugt, dass er auf dem richtigen Wege ins bürgerliche Milieu war. Eine Hoffnung, die durch den Umstand verstärkt wurde, dass seine Verlobte ein Kind von ihm erwartete.
Ich sagte schon, ich will nicht verallgemeinern aber manchmal verfalle ich doch in diesen Hang und deswegen will ich jetzt an dieser Stelle differenzieren.
Natürlich gibt es auch im Christentum und im Judentum Menschen, mit denen man nicht einmal ein Abteil im Regionalexpress von Köln nach Bonn teilen möchte. Es gibt aber auch eine Bereitschaft zur Selbstkritik und gelegentlich sogar zu Selbsthass, die man im Islam einfach nicht findet. Was im Christentum und Judentum heute marginal ist, der religiös motivierte Fanatismus der Tat, das ist im Islam noch immer Mainstream.
Das Wort von Osama Bin Laden, „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod!“, steht nicht nur auf den Visitenkarten der führenden Al Qaida-Funktionäre. Auf die Idee, Schwerter zu Pflugscharen zu verarbeiten, konnten nur christliche Theologen kommen.
Über diesen Abgrund führt keine Brücke, kein Dialog der Kulturen und kein Maßnahmenkatalog zur erzwungenen Integration. Ihn zu leugnen, um die Fiktion von der Gleichwertigkeit von Kulturen und Religionen weiterpflegen zu können, dass schaffen nur Somnambule am helllichten Tag.
Zum Konzept der Toleranzgesellschaft gehört, neben dem ständigen Rekurs auf die eigenen Verbrechen, von der Inquisition bis zur Massentierhaltung, auch die Verwechselung von Ursache und Wirkung und der ständige Rollentausch von Tätern und Opfern.
Von Mohammed Atta und seinen Jungs bis zu den Schlägern in der Münchener U-Bahn, die von einem „besserwisserischen Rentner“ – wie es im Urteil hieß – provoziert wurden.
Die Toleranzgesellschaft leistet sich solche Mätzchen, wie sie sich Abenteuerreisen zu den Kopfjägern auf Borneo und Bauchtanzkursen in Duisburg-Meiderich leistet. Man gönnt sich ja sonst nichts!
Die Exerzitien haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Sie schaffen sich eine eigene Realität, so wie Astrophysiker eine Welt aus Antimaterie konzipieren.
Dazu gehört auch die Fiktion, dass der Islamismus nichts mit dem Islam zu tun hat. Überhaupt nichts. Oder höchstens so viel, wie der Alkoholismus mit Alkohol.
Es gibt aufgeklärte Elemente am Rande des Islam, wie die Bahai z.B., die sich Mitte des 19. Jahrhunderts von den Schiiten abgespalten haben. Oder die Aleviten, die dogmatisches Religionsverhältnis ablehnen. Sie beten nicht in Moscheen und legen den Koran nicht wörtlich aus. Aleviten treten für eine Trennung von Staat und Kirche ein und praktizieren eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die im Islam einzigartig ist. Deswegen werden sie von allen Moslems als Häretiker verurteilt und verfolgt.
In seiner Substanz ist der Islam rückständig. Das hat weniger mit dem Inhalt des Koran zu tun – auch in der Bibel stehen schreckliche Geschichten -, als mit dem Ausbleiben der Aufklärung, der Reformation und der Revolution. Es gibt im Islam keinen Luther und keinen Voltaire, keinen Mendelsohn, keinen Kant, keinen Panizza und keinen Spinoza, keinen Sigmund Freud und keinen Wilhelm Reich, keinen Oswald Kolle und keinen Magnus Hirschfeld, keinen Georg Grosz und keinen Jeff Koons, keinen Giordano Bruno und keinen Galileo Galilei. Ich weiß, Bruder Wilhelm, da gehen unsere Ansichten auseinander. Keinen Ferdinand Lassalle und keine Rosa Luxemburg, keine Emma Goldmann und keine Beate Uhse. Allein die Gründung der Muslim-Bruderschaft, Ende der 20er Jahre in Ägypten, stellt wohl die wichtigste soziale Umwälzung der jüngeren Geschichte der arabisch- islamistischen Welt da, die weder mit ihrer Armut noch mit ihrem Reichtum zurechtkommt, weil sie von Despoten und Diktatoren regiert wird.
Vielleicht, so denkt es in mir, wäre es besser gewesen, wenn die Türken 1683 vor Wien nicht besiegt worden wären. Dann hätte Europa seine Islamisierung schon hinter sich und die Europäer könnten sich heute entspannt zurück lehnen, ihren Mokka trinken und ein Leben ohne Angst vor dem Terror und dem Islamismus genießen.
So aber streiten sie sich über die unmittelbare Zukunft ihres Kontinents.
Wenn der Historiker Walter Laqueur die letzten Tage von Europa am Horizont aufziehen sieht und den Islam als Unterwerfung definiert, sagt der intelligente, umgängliche, hochgebildete holländische Schriftstelle Ian Buruma, „der radikale Islam ist keine totalitäre Gefahr“ und er behauptet, das Kopftuch werde aus freien Stücken getragen als Reaktion auf die erlebte Ausgrenzung.
Je mehr Muslime in Europa das Gefühl haben, dass die Mehrheit etwas gegen sie hat, desto mehr werden ein Kopftuch tragen – aus Trotz, sagt Ian Buruma.
Andere wiederum, wie Wolfgang Schäuble, hoffen auf die Entstehung eines Euro- Islam und vergessen dabei, dass es schon mit dem Euro-Kommunismus nicht geklappt hat.
Ich weiß nicht, ob Sie mitbekommen haben, dass vor ein paar Tagen, am 29.05.2017, Wolfgang Schäuble ein Interview gegeben hat, in dem er sagte, wir können vom Islam sehr viel lernen, die muslimische Zuwanderung sei eine Chance für Deutschland und im Islam würden viele menschliche Werte, wie Gastfreundschaft und Toleranz sehr stark verwirklicht. Sagt der deutsche Finanzminister ein paar Wochen nach dem Anschlag in Berlin, nach dem Blutbad von London und Manchester und nach all den Geschichten, aus denen er eigentlich hätte klüger werden können.
Galt die Toleranz früher den Schwachen, Benachteiligten und zu kurz gekommenen, so gilt die Toleranz heute den Brutalen, Rücksichtslosen und zu allen Entschlossen.
War sie früher ein Ausdruck von Stärke, von Souveränität, so ist sie heute auch Ausdruck von Schwäche.
Dahinter steckt eine durchaus rationale Überlegung.
Habe ich es mit einem mir in jeder Hinsicht überlegenen Gegner zu tun, werde ich es nicht auf einen Showdown mit ihm ankommen lassen, den ich verlieren müsste. Ich werde lieber Toleranz praktizieren und ihn gewähren lassen, in der Hoffnung, dass ein Wunder passiert und mir der Genosse Zufall zur Hilfe kommt. Und ich werde es freiwillig tun, um an mir selbst nicht zu verzweifeln.
Kneipenwirte, die freiwillig eine Schutzgebühr bezahlen, haben das Prinzip ebenso begriffen, wie das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams. Kaum hatte er sich für partielle Einführung der Scharia in England ausgesprochen, ging er noch einen Schritt weiter und schrieb einen Brief an führende muslimische Würdenträger, um ihnen ein Bündnis der Konfessionen auf gemeinsamer Grundlage anzubieten. Also ungefähr Schäuble auf britisch.
Bei dieser Gelegenheit äußerte er Verständnis dafür, dass die christliche Lehre, vor allem die Idee der Trinität, auf Muslims beleidigend wirken könnte, weil sie ihrem Glauben an den einen allmächtigen Gotte widerspricht. Von solchen Differenzen abgesehen, sollte man aber zusammenarbeiten gegen Armut und Vorurteile und für eine heile Welt.
Nachdem Natascha Kampusch, die von ihrem Entführer acht Jahre lang festgehalten und missbraucht wurde, die Flucht gelungen war, gab sie immer wieder zu Protokoll, sie wollte kein Opfer sein und auf die Frage, ob sie mit ihrem Entführer Sex hatte, antwortete sie: „Ja, aber es war freiwillig.“.
Freiwilligkeit ist die kleine, dumme Schwester der Toleranz.
Eine Gesellschaft, in der zu Recht Vergewaltigung in der Ehe unter Strafandrohung steht, leistet sich eine endgültige Debatte darüber, ob das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung oder ein Zeichen der Selbstbestimmung ist.
Es werde freiwillig getragen, versichern Frauen, die ansonsten nicht einmal ohne männliche Begleitung vor die Tür ihrer Wohnung treten dürfen.
Sogar ordinierte Feministinnen finden Gefallen an der rituellen Verhüllung der Frau, weil sie damit den begehrlichen Blicken der Männer entzogen werden. Wenn aber die unkontrollierte Gier der Männer das Problem ist, dann müsste man den Männern Augenbinden oder Handschellen anlegen, statt die Frauen zu verhüllen.
Eine Gesellschaft, in der das Schlagen von Kindern verpönt ist, mag nicht eindeutig Stellung beziehen, zu der Art, wie in Migranten-Familien Kinder behandelt werden.
Das wäre erstens unsensible und zweitens könnte es als Bevormundung verstanden werden, was man in jedem Fall vermeiden möchte.
Kommt es zu einem Ehrenmord, ist man entsetzt und erschüttert, mag sich aber den relativierenden Hinweis nicht verkneifen, dass solche Taten auch in anderen Milieus vorkommen, wie der Berliner Soziologe es gesagt hat, wo sie dann als Familien-Dramen gelten. Dass sich Ehrenmorde im Gegensatz zu Familien- Dramen dadurch auszeichnen, dass sie mit dem Auftrag und dem Segen der Familie stattfinden, wird dabei gerne übersehen.
Eine Gesellschaft, in der gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt und wie konventionelle Ehen gehandhabt werden, schreit nicht auf, wenn in einer islamische Republik Homosexuelle öffentlich aufgehängt werden.
Stattdessen machen sich Künstler, Musiker und Schauspieler auf den Weg nach Teheran, um an einem Dialog der Kulturen teilzunehmen. Alles andere würde den Kampf der Kulturen nur weiter anheizen.
Eine Gesellschaft, die stolz auf ihre Außenhandelsbilanz ist und auf die Leistungen ihrer Maschinenbauer, die sich nicht geniert, das deutsche Bier, den deutschen Fußball und die deutsche Theaterkultur für weit überlegen zu halten, fängt plötzlich an zu stottern, wenn es um die Überlegenheit der eigenen politischen Kultur geht. Gewaltenteilung: eine westliche Erfindung; freie Wahlen: nicht schlecht – aber nicht unbedingt übertragbar; Meinungs- und Redefreiheit: ein gute Idee – aber nicht für jeden; Gleichberechtigung von Männern und Frauen: doch nicht – bei uns verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer.
Kaum jemand traut sich, aus der Reihe zu treten und zu sagen, unsere politische Kultur ist nicht ideal, nicht perfekt und nicht vollkommen, aber die Beste, die wir je hatten und um Lichtjahre besser, als die politischen Kulturen in den Ländern, aus denen die Migranten kommen.
So etwas zu sagen, käme einem Super-GAU gleich. Eher könnte es passieren, dass Heidi Klum zur Intendantin der Bayreuther Festspiele ernannt wird.
Aber: so viel Toleranz muss sein. Der Klarheit zuliebe.
Toleranz ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Ein Angebot an den Sieger von Morgen. Ich verschone Dich heute. Bitte merke es Dir gut und verschone mich, sobald Du an der Macht bist.
Das ist nicht neu. Die Parole: „lieber rot als tot“, war Ausdruck derselben Haltung. Die Forderung, der Westen sollte einsichtig abrüsten, basierte auf derselben Überlegung. Der Utopie des totalen Friedens wurde alles untergeordnet.
Wer sich die Freiheit nahm, die tägliche Unterdrückung zu kritisieren, war nicht nur ein Klassenfeind, er war auch eine Gefahr für den Weltfrieden und musste neutralisiert werden.
Deswegen war in den Ländern des realexistierenden Sozialismus der Frieden das wichtigste aller Ziele, nicht die Freiheit. Frieden ist relativ einfach herzustellen. Am Einfachsten durch Unterwerfung. Auch im Dritten Reich und in der Sowjetunion konnte man friedlich leben. Freiheit dagegen muss erkämpft werden. Notfalls mit Gewalt.
Es gibt noch eine zweite Quelle, aus der sich die Toleranz gegenüber dem Totalitären speist: Das Unbehagen. Nicht an der Kultur, sondern an der Zivilisation, die uns fesseln anlegt, uns daran hindert, den Barbaren in uns von der Leine zu lassen. Toleranz widerspricht der menschlichen Natur, sowie es ihr widerspricht, die Beute zu teilen.
Man macht es nur, wenn man sich davon einen Vorteil verspricht. Für die einen ist Toleranz eine Investition, die sich irgendwann lohnen wird, für die anderen ein Mittel zum Zweck.
Wenn Marx, Lenin, Stalin, Mao und Ulrike Meinhof es nicht geschafft haben, die Gesellschaft umzukrempeln, dann wird das hoffentlich Osama Bin Laden und seinen Erben irgendwann gelingen.
Nicht jeder hat das Zeug zu einem Che Guevara oder wenigsten einem Oskar Lafontaine.
Die Meisten brauchen jemanden, der einen Pflugschar in ein Schwert verwandelt und es der Gesellschaft heimzahlt.
Weil wir gerade in Regensburg sind, möchte ich mit meinem Lieblingszitat schließen:
„Es scheint hier ein merkwürdiger Selbsthass des Westens auf, der fast nur als etwas Pathologisches begriffen werden kann. Der Westen versucht sich in lobenswerter Weise ganz und gar dem Verständnis fremder Werte zu öffnen, aber er liebt sich selbst nicht mehr.“
Das schrieb Papst Benedikt XVI., als er noch Joseph Kardinal Ratzinger hieß.
Vielen Dank!