Begrüßung – Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff
Herr Blach
Meine Herren,
heute darf ich Sie im Namen des Kleinen Gremiums des Bremer Tabak-Collegiums sehr herzlich in Kloster Eberbach begrüßen. Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend in diesen historischen Räumen.
Danken möchte ich zunächst der Stiftung Kloster Eberbach und hier besonders dem Geschäftsführenden Vorstand der Stiftung, Herrn Martin Blach, dass wir heute in Ihren Hallen tagen und rauchen dürfen. Für die anwesenden Gäste ist es ein besonderes Erlebnis in den Traditionsräumen des Klosters das Bremer Abendbrot und das anschließende Collegium abhalten zu dürfen.
Es sind so viele hochrangige Gäste heute anwesend, dass Sie mir verzeihen, dass ich nicht alle persönlich begrüßen kann. Vielleicht darf ich eine Ausnahme machen. Ich freue mich ganz besonders, meinen akademischen Lehrer und langjährigen Mentor Professor Paul Kirchhof als Vortragenden unter uns begrüßen zu dürfen. Lieber Paul, ich danke Dir, dass Du der Bitte des Kleinen Gremiums spontan gefolgt bist und Dich bereit erklärt hast, zu uns über die Freiheit, einem konstitutiven Element unseres Gemeinwesens, zu sprechen.
Das Bremer Tabak-Collegium knüpft an die Tradition der Tabakskollegien an, die seit dem 17. Jahrhundert abgehalten wurden. Wenn man allerdings nach einer Verbindung zwischen dem Tabak-Collegium und dem Zisterzienser-Kloster Eberbach sucht, wird es schwierig. Es dürfte eher zweifelhaft sein, dass sich die der Einfachheit der monastischen Lebensweise verpflichteten Zisterzienser dem Tabakkonsum gewidmet haben.
Erstaunlicherweise wird man aber fündig, wenn man der Haupterwerbsquelle des Klosters, dem Weinbau nachgeht. Das Kloster Eberbach war Förderer des Weinanbaus und maßgeblich an der erheblichen Erweiterung der Anbaufläche für Reben im Rheingau und im Mittelrheintal beteiligt. Und hier findet man an verborgenen Stellen Hinweise, wenn man die Beschreibung großer Gewächse liest. Offensichtlich hat man den Tabak gut versteckt.
So berichtet der Wein-Club Reblaus von einer Probe alter Rheingauer Raritäten. Der 1976er Langwerth von Simmern Erbacher Marcobrunn Riesling Spätlese sei ein ausgezeichneter Wein, der wie folgt gekennzeichnet wird: „Spannende Tabakwürzige Nase, reife Aprikose und Honig. Am Gaumen ein rassiges, 100% intaktes Säuregerüst und gut eingebundene, karamellige Restsüße. Im Abgang wieder diese tolle Würze und warme, gereifte Frucht. Klasse.“
Auch die 1976er Riesling Auslese aus dem weltberühmten Steinberg von Kloster Eberbach sei in der Nase betörend, mit Akazienhonig, Tabak und Zuckerwatte; allerdings wirke der Eindruck am Gaumen zwar deutlich süß, aber irgendwie matt und unsauber, etwas “fassig”. Andere schien der eindimensionale Eindruck am Gaumen des Berichterstatters nicht zu stören, und so wählten sie diesen Wein zum Sieger dieser absolut interessanten Kostprobe.
Jaques Weindepot bietet einen Kloster Eberbach Pinot Noir 2013 mit der Geschmacksbeschreibung an: Anklänge von Kirsche, Tabak und gerösteten Nüssen findet man in der Nase wieder.
Ein anderer Weinclub preist im Internet einen Kloster Eberbach Crescentia Pinot Noir trocken 2013 mit den Worten an: „Wunderbar intensiv bestechen schwarze Johannisbeere und Schattenmorelle im Bouquet. Dazu gesellen sich, eher im Hintergrund, Nuancen von dunklen Beeren, dunkler Schokolade und ein Hauch Tabak.“
Im März 2014 fand eine Weinversteigerung statt, bei der ein 1959er Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg 1.650 Euro erzielte. Nach der Beschreibung eines Teilnehmers zeigt dieser Wein, der im Glas mit leichten rotbraunen Tönen schimmert, Röstaromen und Tabak. Die Zunge wird warm und mit etwas Restsüße umspielt. Es gibt aber noch ältere Weine. Im Weinversteigerungskatalog 2015 wird als Benefizwein ein 1935er Assmannshäuser Höllenberg erwähnt. Spätburgunder Natur, ziegelrote Farbe, feine Raucharomen nach Tabak, angenehme Tannine, erstaunlich jugendlich, entwickelt sich weiter im Glas, große Fülle.
Während sich also hier der Tabak sehr subtil in den berühmten Weinen des Rheingaus versteckt, steht beim Bremer Tabak-Collegium der würzige Tabak später auf den Tischen und kann genossen werden; eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht.
Bekanntlich stammt die Tabakpflanze ursprünglich aus Amerika, und sie wurde gekaut, als Pulver geschnupft oder als Saft gekochter Tabakblätter getrunken. Ebenso wurde Tabak geraucht, indem man die getrockneten Blätter der Tabakpflanze mit Maisblättern umwickelte oder diese in eine Pfeife stopfte. Im 16. Jahrhundert erreichte die Tabakpflanze dann Europa, wo sie rasch als medizinisches Allheilmittel für vielerlei Beschwerden und Krankheiten Karriere machte. Geschätzt wurden ihre Wirkungen auf Geist und Psyche, wie Zunahme der Konzentration, Aktivierung der Lebenskräfte und Erfrischung der Sinne.
Aber es gab auch schon im 16. Jahrhundert eine Gegenbewegung. Jakob I. (1566 — 1625), englischer König erließ im Jahre 1603 ein Edikt mit folgendem Wortlaut: „Wenn endlich, o Bürger, noch Scham in Euch ist, so gebt jenen heillosen Gebrauch auf, der in Schande entsprungen, aus Irrtum aufgenommen, durch Torheit verbreitet ist, durch den Zorn Gottes gereizt, des Körpers Gesundheit zerstört, das Hauswesen zerrüttet, das Volk im Vaterland herabwürdigt und auswärts verächtlich gemacht wird; einen Gebrauch, der unangenehm der Nase, dem Gehirn nachteilig, den Lungen verderblich, und wenn ich es recht sagen soll, durch die schwarzen Rauchwolken dem Höllendampf vollkommen gleicht.“
Seine Warnungen wurden jedoch in den Wind geschlagen. Der praktisch veranlagte König fand jedoch einen Ausweg: Er erkannte als Erster die fiskalische Bedeutung des von ihm bisher mit Feuer und Schwert verfolgten Lasters und so verfügte er, dass der Tabak mit einer für ihn einträglichen Abgabe belegt wurde, wodurch er zum Erfinder der Tabakbesteuerung avancierte. Spätere Geschlechter haben ihm dafür zwar kein Denkmal gesetzt, doch sein Einfall hat Schule gemacht, die Jahrhunderte überdauert und in anderen Ländern Einzug gehalten. In Deutschland erhob erstmals die Stadt „Cölln“ 1638 eine Art Steuer, indem für jedes eingeführte Fass von 15 Zentnern Tabakblattgut sechs Thaler abgeführt werden mussten. 1819 belegte Preußen die Tabakfabrikanten mit einem Taler (drei Mark) pro Zentner Rohtabak. In den folgenden Jahrzehnten stiegen diese Abgaben nach und nach bis auf 45 Mark. 1906 entdeckte der preußische Finanzminister Johannes von Miguel, wie die Raucher direkt belastet werden können und führte im Deutschen Reich die bis heute übliche „Banderolensteuer“ ein.
Heute gehört die Tabaksteuer zu den ertragreichsten Steuern. Sie ist nach der Energiesteuer die ertragreichste Verbrauchsteuer mit Einnahmen von über 14 Milliarden Euro. Das beträgt ihr Aufkommen fast dreimal so viel wie die derzeit so umstrittene Erbschaftsteuer.
Teilweise wird sie als die unsozialste unter den Steuern genannt, denn im Schnitt trifft sie die Armen und Arbeitslosen stärker als die Beschäftigten, denn unter ihnen finden sich erheblich mehr Raucher. Der Staat holt sich also das Geld von armen Süchtigen und süchtigen Armen.
Ohnehin ist die Wirkung der Tabaksteuer umstritten. Während das Gesundheitsministerium die Tabaksteuer als sogenannte Lenkungssteuer sieht, die eine Senkung des Tabakkonsums bewirken soll, hat das Finanzministerium ein Interesse an möglichst hohen Steuereinnahmen zur Deckung des Staatshaushalts. Bisher konnte ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Tabaksteuer und dem Anteil der Raucher in der Bevölkerung jedenfalls nicht nachgewiesen werden. Wirkungsvoller waren wohl die direkten Rauchverbote, denen wir heute glücklicherweise nicht ausgesetzt sind.
Um eine Verbindung zum heutigen Vortragsthema „Freiheit als Wagnis“ zu ziehen, besteht sowohl die Freiheit als auch das Wagnis, zur Tonpfeife zu greifen. Mit diesen später im Collegium zur Verfügung gestellten Tonpfeifen zeigt das Bremer Tabak-Collegium, dass es an die Tradition der preußischen Tabakskollegien anknüpft.
Schon König Friedrich I. in Preußen ließ Tabakskollegien abhalten. Er war der „Meinung, dass der Gebrauch des Tabaks gegen alle böse Luft gut sei“. Während seiner Regierungszeit nahmen auch Damen an diesen geselligen Zusammenkünften teil. Das Rauchen war eigentlich Pflicht, man konnte sich aber mit Geld für wohltätige Zwecke davon freikaufen.
Berühmtheit erlangte das Tabakskollegium aber erst unter Friedrich Wilhem dem I., dem „Soldatenkönig“. Er übernahm den Brauch der Tabakskollegien von seinem Vater, allerdings in gänzlich anderer Form. In spartanisch eingerichteten Räumen, insbesondere im Königs Wusterhausener Schloss. Allabendlich versammelte man sich in Wusterhausen zum Tabakskollegium im Schloss, bei schönem Wetter im Freien und diskutierte bei reichlichem Tabak- und Alkoholgenuss bis weit nach Mitternacht über Politik, Moral, Erziehung, Religion. Anders als im väterlichen Tabakskollegium waren weibliche Personen nicht zugelassen, nur die Söhne des Königs durften anwesend sein.
Damals bestand aber keine Freiheit, nicht zu rauchen. Derjenige, der nicht rauchen wollte oder konnte, musste simulieren. Dies wird unter anderem von Fürst Leopold zu Anhalt-Dessau und vom kaiserlichen Gesandten Friedrich Heinrich Reichsgraf von Seckendorff berichtet. Selbstverständlich galt das Tabakskollegium als so bedeutend, dass man lieber simulierte, als nicht an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Das Hofzeremoniell galt als gänzlich aufgehoben, niemand sollte aufstehen, wenn der König eintrat, jeder sollte sagen können, was ihn bewegte. Politisches und Privates, Staatsfragen von höchster Brisanz, lockerere Unterhaltung und deftige Scherze flossen ineinander.
Im Gegensatz zum Tabakskollegium Friedrich I. traf sich in der Gesprächsrunde Friedrich Wilhelms I. nicht nur der innere höfische Kreis, der sich entspannen und amüsieren wollte. Einflüsse von außen, von bürgerlichen Intellektuellen, Gesandten, Reisenden, gelangten an den Hof des „Soldatenkönigs“ und trugen das Gedankengut der Frühaufklärung in diese Runde.
An diese Tradition will das Bremer Tabak-Collegium anknüpfen. Es hat sich das vertrauliche, aber liberale Gespräch über Themen des Zeitgeschehens zum Ziel gesetzt – in dem Bewusstsein, damit der Pflege hanseatischer, insbesondere auch bremischer Kultur und Tradition zu dienen. Die Bremer Kaufleute, die das Bremer Tabak-Collegium stützen, suchen das Gespräch mit herausragenden Persönlichkeiten. Dazu begibt sich das Bremer Tabak-Collegium zwei Mal im Jahr auf die Reise und lädt Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft ein, um ihnen die hanseatische Kultur näher zu bringen.
Dass es den Bremern nicht auf verschwenderische Prunksucht ankommt, werden Sie beim Bremer Abendbrot sehen, zu dem wir uns nach dem alten Brauch des Löffeltrunkes begeben werden.
Zunächst aber wenden wir uns der traditionellen Zeremonie des Löffeltrunkes zu. Hierbei handelt es sich um eine Tradition des Bremer Tabak-Collegiums, in dem wir unsere Freundschaft zu unseren Gästen ausdrücken. Lassen Sie mich zunächst kurz den Ablauf schildern, bevor ich den Löffeltrunk mit dem Hausherrn des heutigen Abends zelebriere:
Da man damals die rechte Hand immer wehrhaft bereithalten musste, nimmt man den Löffel in die linke Faust. Nachdem eingeschenkt ist, gibt es einen feierlichen Trinkspruch, wobei ich diejenigen die schon häufiger Gast des Tabak-Collegiums waren, bitte die Initiative zu ergreifen.