Meine sehr geehrten Herren,
ich sehe, auch Sie haben Fragen. Fragen über Fragen. Ein wenig habe ich schon an mein Thema gedacht, als Sie versucht haben, Ihre Plätze zu finden: da geht’s ja durcheinander wie in der Welt der Globalisierung. Man weiß nicht mehr so richtig, wo man hingehört.
Wir haben heute im Bundestag – der Reichstag ist ja fast so groß wie dieser Reichsgerichtspalast – in erster Lesung den Antrag der Bundesregierung behandelt, den Vollzug der UNO-Resolution 1701, so ist die korrekte Bezeichnung für einen Beitrag der Bundeswehr, im wesentlichen der Marine, mit zu ermöglichen. Morgen werden wir darüber abstimmen und viele haben in diesem Zusammenhang gesagt und wahrscheinlich werden es ein paar noch sagen: „es sei eine historische Entscheidung!“ Und es wird dann auch viel mit historischen Argumenten – manchmal sogar zutreffend, aber nicht immer – operiert.
An Leipzig ist auch schon erinnert worden, und vielleicht sollte die erste Bemerkung sein, dass wir ja nach dem Ende des Kalten Krieges – also seit der in Leipzig und Dresden, wie ich gelernt habe, gleichberechtigt begonnenen Wende und dem mit ihr verbundenen Ende des Kalten Krieges, dem Ende der Sowjetunion und der Ost/West Konfrontation – daß wir damals erst gedacht hatten, der Friede sei sicherer geworden. Wir haben fast überall die Verteidigungsetats zurückgefahren, übrigens auch die Etats für Katastrophenschutz, und vieles mehr – das hieß dann Friedensdividende. Inzwischen haben wir rasch gelernt, das die Welt nicht sicherer geworden ist, daß die Bedrohungen nur andere geworden sind. Vielleicht nicht mehr die Dimensionen des atomaren Holocaust, obwohl wir auch nicht wissen wie lange das geht, bis wir auch diese Bedrohung wieder haben. Aber sie sind jedenfalls vielfältiger und unberechenbarer geworden. Vielleicht aber ist es auch so, dass wir mit dem Ende des Kalten Krieges überhaupt erst besser wahrnehmen können, wie vielfältig die Welt geworden ist und was überall auf der Welt stattfindet. Vielleicht war es auch so, dass wir bis 1989 durch die Block-Konfrontation uns eigentlich den Blick dafür weitgehend verstellt hatten, was sonst noch alles in der Welt passiert.
Wir hatten ja, jedenfalls seit dem Ende des Vietnam-Krieges, kaum noch zur Kenntnis genommen, dass es in anderen Teilen der Welt Kriege zuhauf gegeben hat. Die Zahl der Kriegstoten ist seit dem Zweiten Weltkrieg viel größer als nach dem Ersten Weltkrieg. (???) Aber wer hat sich schon nach dem Ende des Vietnamkrieges – also, nachdem man nicht mehr gegen die Amerikaner demonstrieren konnte – mit Kambodscha beschäftigt. Hat man sich für Ruanda oder Burundi wirklich interessiert? Das Gemetzel der Hutus und Tutsi? Auch der erste Golfkrieg zwischen Irak und Iran hat uns nicht so sonderlich aufgeregt, obwohl er ziemlich lange dauerte und mit hohen Opferzahlen verbunden war. Das alles ist erst wichtig geworden nach dem Ende des Kalten Krieges, da ging es dann schnell los mit dem zweiten Golfkrieg. Sie erinnern sich. Und jetzt kommt das andere hinzu. Nicht nur, das wir die Vielfalt der Konflikte wahrnehmen, sondern plötzlich nehmen wir auch wahr, dass die Konflikte vielfältiger geworden sind, als wir uns in Europa angewöhnt hatten. Wir haben ja wahrscheinlich irgendwie seit dem Westfälischen Frieden geglaubt, die Kriege seien irgendwie so etwas geregeltes ???. So ist es nicht: also erst trinken die Botschafter noch ein Glas Champagner, dann überreichen sie die Kriegserklärung, vorher war schon mal Mobilmachung, damit man auch weiß was passiert und dann geht’s einigermaßen, ja gesittet kann man nicht sagen, aber einigermaßen unsinnig übereinander her. Und irgendwann ist man dann so erschöpft, dass man dann wieder aufhört und einige Zeit später wieder von neuem anfängt.
Heut ist das alles anders. Einige sagen, die asymmetrische Kriegsführung sei neu. Manche glauben, die asymmetrische Kriegsführung sei nur ein Monopol der Terroristen. Natürlich ist das alles ziemlicher Unsinn. In Wahrheit waren die meisten Kriege nie symmetrische Kriege. In Wahrheit ist immer mit sehr unterschiedlichen Mitteln gekämpft worden. Selbst die Bombenangriffe – also der Krieg gegen die Zivilbevölkerung – war eigentlich das genaue Gegenteil von symmetrischer Kriegsführung. Und das, was die modernen Militärexperten die Revolution der Millitary Affairs nennen, die Networker Sender Warfare – also diejenige Kriegsführung, bei der man an irgendeinem Punkt in der Welt einen Computer bedient, um an einem ganz anderen Punkt der Welt eine Rakete auszulösen, die ziemlich zielgenau einschlägt. Da können Sie mit solchen Dingen wie dem Kombattantenstatus, womit sich Generationen von Völkerrechtlern beschäftigt haben, nicht mehr viel anfangen. Dagegen war selbst die Partisanenkriegsführung immer noch ziemlich geordnet und übersichtlich.
Deswegen sind die neuen Formen von Bedrohungen in ihrer Vielfalt im Grunde so neu nicht, nur werden sie viel stärker wahrgenommen, und sie sind dominant geworden, weil es eine überwölkende weltpolitische Konstellation wie zu Zeiten des Ost/West-Konflikts nicht mehr gibt. Indem sich der Kombattantenstatus und damit auch die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung aufgelöst hat, sind auch die alten völkerrechtlichen Kategorien weitgehend dabei, obsolet zu werden.
Das geht weiter. Auch die Staaten haben ihr Monopol, das sie sich mühsam im Dreißigjährigen Krieg und im Westfälischen Frieden jedenfalls in Europa erworben hatten – das Monopol, dass Kriege nur von Staaten und auch nur gegen Staaten geführt werden können – das haben sie verloren. Inzwischen löst sich – das hatten wir früher schon – regionale Kriegsherren, Wallenstein war da wahrscheinlich auch schon ein frühe Form des „Warlords“ und die Leute haben ja auch ein Geschäft mit dem man sich identifiziert hat und vieles andere mehr. Es hätte wahrscheinlich nicht alles vor den strengen Kriterien eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Bestand gehabt, was da jeweils gemacht worden ist im Laufe der Jahrhunderte. Ich glaube nicht, dass es wirklich neu ist, aber es kehrt stärker zurück . Es kommt noch etwas hinzu.
Nicht nur haben die Staaten das Monopol verloren Kriege zu führen, sondern es ist auch nicht mehr so, dass man gegen Staaten unbedingt Krieg führen kann. Der Krieg, den wir gegen den Terrorismus führen – und das ist nicht eine Spinnerei irgendeines amerikanischen Präsidenten, es wird gelegentlich so gesagt – Sondern es ist ja so, dass der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen und dessen Resolution binden Völkerrecht mehr als Beschlussfassungen eines bundesdeutschen Regionalparteitags irgendeiner Partei. Der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen hat ja den 11. September als Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne der Charta der Vereinten Nationen mit dem Recht der Verteidigung erklärt. Wir haben übrigens den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags erklärt, befinden uns immer noch in diesem Bündnis – die Wenigsten haben das schon mal im Grundgesetz nachgelesen, welche Regeln im Grundgesetz eigentlich für den Bündnisfall gelten könnten, in dem wir uns seit dem 13. September 2001 anhaltend befinden. Aber irgendein nur halbwegs lustig gestimmter Mensch hat geschrieben: „na ja, zum Glück hat man ja in der Reaktion die durch die Resolution des Weltsicherheitsrats gedeckt war auf den 11. September dann immerhin noch die Ausbildungslager in Afghanistan gehabt. Weil durch dieses Taliban-Regime Afghanistan noch so ein Gebilde war wo die Regeln staatlicher Souveränität und die Ansprüche an staatliche Souveränität nicht so richtig erfühlt hat. Hat man noch einen territorialen Bezug für Gegenreaktionen gefunden, aber irgend etwas nicht gegeben hätte ein bösartiger Mensch hat geschrieben: „wenn` s das nicht gegeben hätte, man von El Quaida gar keinen regionalen Bezug gefunden hätte, hätte man dann Hamburg bombardieren müssen weil dort ja der Anschlag wesentlich vorbereitet worden ist? Das zeigt, die regionalen Bezüge lösen sich auch ein Stück weit auf. Das macht die Welt in den Zeiten der Globalisierung so unübersichtlich und das ist das was den Menschen so Sorge macht, dass die traditionellen Muster sich auflösen und das die Antworten was wir denn nun machen darauf furchtbar schwer zu finden sind.
Ich will übrigens die Bemerkung auch noch anfügen: nach meiner Überzeugung ist es gerade das Tempo der technischen, der wissenschaftlichen, und der technologischen Entwicklung, das diesen Prozess der Globalisierung im wesentlichen trägt und auch charakterisiert. Die weltumspannende Kommunikation in real time – das haben wir vorher schon im Fernsehen gehabt, jetzt haben wir es in einer anderen Dimension durch das Internet – führt zu einer immer enger werdenden Vernetzung. Und damit wirtschaftlich, politisch … Herr Professor. Guratzsch hat vorhin ja eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die man nur als Fragen formulieren kann, und für die man Antworten nicht immer suchen soll zu geben. Diese weltweite Vernetzung führt meines Erachtens dazu, dass die Konflikte die bei sechs Milliarden Menschen , bei den ganzen ungeheuren Unterschieden, bei der Vielfalt an Kulturen, Traditionen , Religionen. Bei der unterschiedlichen Verteilung von Ressourcen und Wohlstand. Bei völlig Unterschiedlichen Entwicklungszuständen. Dies alles wird durch die weltweit vernetzte Kommunikation zu einem unglaublich dichten Zustand von Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigem, und völlig unterschiedlichen Entwicklungen. Und damit von Spannungen und Ungerechtigkeiten, die in einem Maße bewusst werden und Resignation was ein Gewaltpotential nahezu ohne Ende ist. Es ist nach meiner Überzeugung auch nicht überraschend das auf einem solchen Humus die Sehnsucht nach Orientierung, Trost, Vergewisserung oder irgendetwas anderem an religiösen oder übersinnlichen Dimensionen zwangsläufig wachsen muss. Weswegen ja die Vorhersage von André Malraux schon einigermaßen prophetisch ist, der da mal gesagt haben soll: „das 21. Jahrhundert wird religiös sein, oder es wird Nicht`s sein“. Weswegen es auch nicht überraschend ist, dass wir in unseren – jedenfalls nach eigener Überzeugung – relativ hoch entwickelten europäischen und westlichen Breitengraden mit religiösem Fundamentalismus weniger zu tun haben. Da sollten wir allerdings nicht so sicher sein, wenn wir uns mal anschauen wie viel Wahrsager es in Deutschland gibt. Die Zahl ist sensationell hoch. Übrigens haben wir seit den 70er und 80er Jahren ja schon eine ungeheure Zunahme von allen möglichen – früher hieß es New Age und ähnliche – mehr oder weniger übersinnlichen, oder weniger rationale Entwicklungen und Bestrebungen gehabt. Also, ganz so fern ist das wahrscheinlich auch in unserer Wirklichkeit nicht. Die schwächer werdende Bindungskraft christlicher Kirchen in unserer Gegenwart ist ja nicht notwendig ein Beweis für das stärker werden von Aufklärung und Vernunft, sondern möglicherweise nur der Vorbote einer auch uns weiter ergreifenden Verunsicherung und damit auch ein Potential der Anfälligkeit für alle möglichen Verführungen.
Wir sollten also nicht so sicher sein, dass es fundamentalistische Entwicklungen nur in der weniger entwickelten Welt oder im Bereich des Islam geben kann. Im Augenblick allerdings ist das wohl unser vorrangiges Problem. Das alles und vieles anderes führt jedenfalls dazu, dass wir in der Sprache der Sicherheitsanalysten ein weltweiter Gefahrenraum sind, dessen Teil wir sind. Ob es uns nun gefällt oder nicht, ob wir es wahrnehmen oder nicht. Bis zu den Kofferbomben, die glücklicherweise am 31. Juli nicht explodierten, weil die Täter zu dumm waren, um sie richtig zu konstruieren, oder weil sie einen Fehler gemacht haben, und wir Glück gehabt haben. Verhindert hätten wir es nicht. Seitdem ist uns besser bewusst geworden, dass der Terrorismus, oder dass solche Gefahren auch uns bedrohen können. Und weil dann ein paar Tage später unsere britischen Kollegen in London Anschlagsvorbereitungen auf den zivilen Luftverkehr, die vielleicht eine Dimension wie der 11. September hätten haben können, gleichzeitig entdeckt und verhindert haben, hat die Wahrnehmung der Bedrohung wieder zugenommen. Sie wird jetzt erst einmal wieder abnehmen, und dann wird sie wahrscheinlich wieder zunehmen.
Ich glaube jedenfalls, es wäre eine Illusion zu glauben oder zu hoffen, dass das 21. Jahrhundert generell friedlicher sein wird als seine Vorläufer, und ich fürchte schon, dass für die vorhersehbare Zeit – also das, was wir glauben vorhersehen zu können – mit diesen neuen schwerer zu berechnenden Drohungen von Terrorismus asymmetrische Kriegsführung – failing states – also der Auflösung dieser traditionellen klassischen Bezüge , uns einstellen müssen.
Was im übrigen heißt, dass die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit obsolet geworden sind. Es ist einfach albern, noch all zuviel Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, wie man das im Einzelnen genau unterscheiden kann. Das lässt sich nicht mehr wirklich trennen. Und das ist nicht nur eine Frage ob man die Bundeswehr auch zu bestimmten, noch zu diskutierenden und zu definierenden Vorraussetzungen notfalls im eigenen Lande zu Verteidigungs- und Schutzzwecken einsetzen können muss! Ich bin überzeugt davon, dass es auf die Dauer keinen Sinn macht, dass die Bundeswehr überall auf der Welt Aufgaben theoretisch wahrnehmen kann, nur in einem Land nicht. Das ist nämlich im Geltungsbereich des Grundgesetzes. So haben sich wahrscheinlich diejenigen, die sich das mal ausgedacht haben, das auch nicht vorgestellt.
Aber es geht gar nicht nur darum. Sondern es geht eben zum Beispiel darum, dass wir mit der Entscheidung, uns mit der Bundeswehr an dem Vollzug des UNO-Mandats im Libanon – in dem Fall in dem wir versuchen den Waffenschmuggel von der Seeseite Libanon zu unterbinden. In dem wir uns daran beteiligen machen wir eben nicht wie manche behaupten die Bundesrepublik Deutschland gewissermaßen bringen wir sie nicht in eine terroristische Bedrohung in der sie ohne diese Entscheidung nicht wäre. Sondern wir nehmen ganz im Gegenteil unseren Teil, unsere Möglichkeiten wahr, einen Beitrag zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung zu leisten, die wir eben nicht im Inland bekämpfen können, sondern deren Ursachen wir – nicht überall, aber dort wo wir einen Beitrag leisten können – dort bekämpfen müssen wo sie zu bekämpfen sind . Und das sind eben die weltweiten Spannungen, Konflikte, die in terroristische Entwicklungen eskalieren können. Daran führt kein Weg vorbei und das ist der Beleg für mich, dass es die Grenzen zwischen der inneren und äußeren Sicherheit nicht mehr gibt. Wie das im einzelnen funktioniert und ob es funktioniert, darüber wird man trefflich streiten können.
Aber ganz sicher hilft uns nicht, wenn wir die Realität und die Existenz dieser Zusammenhänge und dieser Bedrohungen bestreiten. Deswegen können wir uns dem nicht verweigern. Ich glaube im übrigen, dass unilaterale Lösungsansätze keine Chance haben erfolgreich zu sein. Deswegen glaube ich auch nicht, dass die Amerikaner mit der Rolle der einzigen verbliebenen Weltsupermacht wirklich glücklich sind. Jedenfalls dann, wenn sie nicht verstehen, dass sie diese Rolle nutzen müssen im Sinne eines partnerschaftlichen Verhältnisses, daß sie mit möglichst vielen oder mit möglichst allen großen und anderen Mächten auf dieser Welt reden müssen. Nur multilaterale Strukturen – oder multilaterale Strukturen und Entscheidungsprozesse bieten nach meiner Überzeugung eine bessere Chance, um die Eskalation von Konflikten und Bedrohungen auf der Grundlage des beschriebenen Humus einigermaßen zu verhindern.
Wenn dies so ist und wenn es richtig ist – und darüber sind sich ja nun in Deutschland und Europa nahezu alle einig –, dass unilaterale Entscheidungen falsch sind, dann ist aber die logische Antwort, dass dann multilaterale Entscheidungen richtig sind. Und wenn multilaterale Entscheidungen richtig sind, dann kann das natürlich nicht heißen, dass multilaterale Entscheidungen bedeuten, multilateral zu entscheiden, was die Amerikaner unlateral zu machen haben. Und dann heißen multilaterale Entscheidungen, dass wir sie auch multilateral vollziehen müssen. Und dann heißen multilaterale Entscheidungen – was immer dies im Einzelnen bedeutet –, dass man den Anteil der der eigenen Größe, Zahlenverhältnis, Bedeutung und Ressourcen, was immer entspricht irgendeinen Anteil von dem man behaupten kann er sei fair oder er hätte was mit fairer Verteilung zu tun den muss man dann an Verantwortung tragen , wenn man dazu nicht bereit ist, sollte man nicht multilaterale Entscheidung vorbereiten. Sondern man sollte dann gleich sagen, dass man nur noch eigentlich bestimmen möchte, was andere zu tun haben. Und das ist nicht das Prinzip nach dem es funktionieren kann. Und deswegen bin ich schon überzeugt, dass die Europäer eine stärkere Rolle übernehmen müssen . Was dann auch heißt, Europäer sind eben nicht nur die Dänen und die Finnen und die Luxemburger, sondern die Deutschen gehören dazu. Im europäischen Maßstab sind wir ja sogar noch relativ zahlreich und relativ groß und nicht völlig unwichtig. Außerdem liegen wir in der Mitte Europas, deswegen ist das deutsche Schicksal und die deutsche Rolle mit europäischer Entwicklung und europäische Geschichte stärker verbunden als jeder andere Teil Europas. Im Guten und im Bösen. Aber wenn wir ein stärkeres, handlungsfähigeres, verantwortungsfähiges, partnerschaftliches Europa wollen, dann ist es meine Überzeugung, dass wir das nicht als erster Linie als Gegengewicht gegen die Vereinigten Staaten entwickeln. Sondern als ein Partner, der sich den Vereinigten Staaten von Amerika wie allen anderen auch China, Indien, oder Rußland, zur Verfügung stellt, um mit gemeinsamen Anstrengungen zu versuchen, die zivilisatorischen Fortschritte, die wir errungen haben, und die im Grunde ja auch die Vorraussetzung dafür sind, das wir die ungeheuren Chancen, aber auch die ungeheuren Bedrohungen, die aus moderner Wissenschaft, Technologie, industrieller, wirtschaftlicher Stärke, ja aber auch Ressourcenknappheit entstehen, beherrschen können. Deswegen ist für mich das Bemühen für ein stärkeres, handlungsfähigeres Europa nicht eine Alternative zur atlantischen Partnerschaft. Ich brauche das nur kurz zu erwähnen, sondern als Teil atlantischer Partnerschaft. Je mehr wir in der Lage sind, den Amerikanern einen auch in ihrem Sinne relevanten Partner zur Seite und zur Verfügung zu stellen, um so eher werden wir sie auch dazu bringen auf europäischen Rat, auf europäische Kritik zu hören. Wenn wir nichts beitragen, dann sind unsere Ratschläge und unsere Kritik auch nicht allzu relevant.
Also brauchen wir nach meiner Überzeugung einen größeren europäischen Anteil, der auf Dialogbereitschaft, auf Partnerschaft, auf Stärke und Entschlossenheit, und damit auf Relevanz zugleich setzen muss. Wir brauchen übrigens bei alledem auch ein hinreichendes Maß an Gelassenheit. Weil man sich ja immer klar machen muss, dass es am Ende niemals auf dieser Welt und in diesem Leben hundertprozentige Sicherheit gibt. Im Inneren nicht und in der äußeren Sicherheit gilt es genauso. Je mehr man sich darüber im klaren ist, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, um so eher gewinnt man den Spielraum und die innere Freiheit, sich darauf zu konzentrieren, das menschenmögliche an Sicherheit zu leisten. In den äußeren Dimensionen wie im eigenen Lande.
Deswegen glaube ich, dass Bewusstsein, das man seinen Beitrag leistet, das man sich engagiert, wie jetzt konkret im Libanon oder wo auch immer – in Afghanistan, die Voraussetzung dafür ist, dass wir notfalls auch auf terroristische Anschläge oder auch auf sonstige sich realisierende Bedrohungen – sie werden ja nicht immer nur latent bleiben – in der Lage sind, mit der hinreichenden Mischung aus Gelassenheit und Entschlossenheit zugleich zu reagieren. Vielleicht haben die Amerikaner nach dem 11. September für unser Gefühl zu viel Entschlossenheit gezeigt. Aber was sie – auch die New Yorker am 11. September und danach – an Gelassenheit aufgewiesen haben, das wünsche ich mir, falls uns jemals ein solcher Schicksalsschlag in unserem Lande drohen sollte, für uns auch. Ich glaube, auch wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass angesichts der modernen Bedrohungslage die zivilisierten Mächte, die organisierten Staaten, die in den Vereinten Nationen irgendwie vertretenen Staaten – oder jedenfalls die wichtigeren davon – doch in der Lage sind, zu neuen Formen der Zusammenarbeit zu kommen und aus alten traditionellen Verhaltensmustern ein Stück weiter einen Weg herauszufinden. Ddafür ist übrigens die europäische Nachkriegsgeschichte nicht der schlechteste Beweis, dass das möglich ist.
Und wenn Sie bedenken, was alles nach dem Ende des Ost/West-Konflikts möglich geworden ist, dann sollte man auch die Hoffnung nicht aufgeben, dass etwa Europa, Russland, China, die Vereinigten Staaten von Amerika, Indien, und andere Mächte in der Lage sind, eine Zusammenarbeit zu entwickeln, die auch unter den neuen Bedrohungen in der Globalisierung ein hinreichendes Maß an Stabilisierung und Stabilität gewährleistet.
Ich glaube im übrigen auch, das es möglich ist – und auch, das es möglich bleibt, ja sogar wahrscheinlich ist –, dass von den 1,2 Milliarden Muslimen, die wir zur Zeit auf dieser Erde haben, die große Mehrzahl auch nicht eine fundamentalistische Entwicklung will, sondern genauso ein Interesse an friedlicher Entwicklung, an Stabilität, an Toleranz und auch an wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen hat. Insofern haben wir Grund zur Gelassenheit, aber auch zum Engagement.
Dies alles, was ich zum Äußeren gesagt habe, gilt natürlich auch für den Bereich, den ich nun als Innenminister in besonderer Weise verantworte. Auch dazu ein paar eher schlagwortartige Bemerkungen.
Auch in der inneren Sicherheit gibt es niemals hundertprozentige Sicherheit. Die gibt es ja überhaupt nicht im menschlichen Leben . Die Mediziner sagen, auch in der Medizin gibt es keine, in der menschlichen Natur, in der menschlichen Existenz, auch in der gesellschaftlichen Wirklichkeit gibt es niemals hundert Prozent. Aber vielleicht kann man sich auch damit trösten, wenn man überhaupt des Trostes bedürftig ist, dass man sich klar macht, dass jede freiheitliche Ordnung geradezu die Vorraussetzungen hat, den Verzicht auf das Streben nach hundert Prozent funktionierenden Regelungen. Denn wer hundertprozentige Regelungen anstrebt, wird im Zweifel immer in diktatorischen Entwicklungen enden.
Aber wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dann heißt das natürlich nicht, dass es keine Vorsorge gibt. Dass man nicht das Menschenmögliche tun muss, um so viel wie möglich zu gewährleisten – und in diesem Sinne gibt es dann nach meiner Überzeugung auch nicht den so oft beschriebenen grundsätzlichen Konflikt zwischen Freiheits- und Sicherheitsinteresse.
Meine Herren, wer in der DDR gelebt hat, wird ja nun wissen, dass eine Sicherheit ohne fundamentale Freiheitsrechte auch keine rechte Sicherheit ist. Was nützt denn eine geringere Kriminalitätsbelastung, wenn der Staat selber die Kriminalität organisiert. Das macht doch keinen rechten Sinn. Und wer in der schönsten Freiheit lebt, aber nicht mal mehr in seinen existenziellen materiellen Lebensbedingungen gesichert ist, der empfindet die Freiheitsrechte auch nicht wirklich bedeutsam. Natürlich muss man im Einzelfall ein Stück weit abwägen, wieviel Kontrolle wir akzeptieren. Aber die allermeisten, die mit dem Flugzeug reisen akzeptieren lieber, dass sie kontrolliert werden, als das sie besorgen müßten, dass das Flugzeug durch einen Sprengsatz oder sonst wie zum Absturz gebracht werden könnte. Wir müssen doch verstehen und begreifen, dass das wichtigste Element von Sicherheitsvorsorge, angesichts dieser so unübersichtlich gewordenen Bedrohungslage, die vorbeugende, präventive Information – also insbesondere die ‚intelligence’, die geheimdienstlich zu beschaffende Information – ist. Wir brauchen, neben der Information, neben funktionsfähigen Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden, auch eine stärkere Sensibilisierung der Gesellschaft. Auch für mögliche Bedrohungen.
Das gilt insbesondere für die Teile der Gesellschaft, die in einer Nähe zur potentiellen Bedrohung sind. Deswegen sage ich unablässig, bei allen Bemühungen um eine stärkere Integration unserer Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit, dass natürlich diejenigen, die potentiellen Attentätern näher sind, auch eine besondere Pflicht haben, die Augen aufzumachen, und dass die klammheimliche Solidarität, die noch aus Zeiten der Bader-Meinhoff-Bewegung stammt und auf einen Teil der politischen Linken im politischen Deutschland Eindruck macht, natürlich ein falsch verstandenes Verständnis von Freiheit und Solidarität ist. Auch das gehört mit dazu.
Man muss im übrigen auch in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass der freiheitliche Staat nur dann funktioniert, wenn er einen Teil dessen, was er an Aufgaben erledigen will, nicht selber erledigt, sondern darauf vertraut, dass die Menschen, die Bürger selber, in eigener Verantwortung zunächst einmal vieles machen. Wenn das nicht funktioniert, wird es ohnedies weniger wichtig, deswegen ist die Vermittlung von Werten, angefangen bei der Erziehung bis hin zum Vorleben auch der notwendige Beitrag von Eliten, so wichtig wie eine besser gelingende Integration derjenigen Menschen die schlechter in unser gesellschaftliche Wirklichkeit integriert sind. Ob aus sozialen Gründen oder ob es sich um Menschen mit Migrationshintergrund handelt. Deswegen ist es natürlich auch wichtig, wenn wir versuchen, in einen stärkeren Dialog zu kommen mit den drei Millionen Menschen islamischer oder muslimischer Religionszugehörigkeit, die in Deutschland leben. In einen stärkeren Dialog zu kommen, damit wir uns darüber verständigen, wie Islam mit Deutschland und mit Europa vereinbar sein kann. Was nämlich nur geht, wenn man die grundlegenden Normen Europas – das heißt die Trennung von weltlicher Ordnung und religiöser Überzeugung – akzeptiert. Das ist das Erbe europäischer Aufklärung, und ohne diese gibt es keine Universalität von Menschenrechten und keine Toleranz. Das heißt wir brauchen Dialogbereitschaft, aber wir brauchen auch Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Ordnung. Wir brauchen Entschlossenheit, wir brauchen Bereitschaft anderen zuzuhören, aber wir brauchen auch die Bereitschaft, unsere eigenen Überzeugungen zu vertreten. Wir müssen aus Erfahrungen lernen, und wir müssen daran denken, dass der Prozess ‚trial und error’ derjenige ist, der freiheitliche Gesellschaften voranbewegt.
Deswegen habe ich auch nach den Funden der Kofferbomben gesagt: „verhindert hätten wir die Anschläge nicht, deswegen brauchen wir uns nicht sehr auf die Schultern klopfen.“ Ob wir den nächsten verhindern können, weiß ich auch nicht. Aber die Erfahrungen, die ich da gemacht, die wir da ziehen können, soviel müssen wir lernen, dass wir in der Zukunft sagen, also die Mittel mit denen wir Anschläge vielleicht verhindern können , wollen wir besser nutzen. Deswegen weiß ich nicht, warum ich noch über Videokameras an öffentlichen Plätzen in Deutschland ernsthaft diskutieren soll. Deswegen brauche ich funktionierende Nachrichtendienste, und deswegen brauche ich natürlich auch die Vernetzung von Informationen über mögliche Gefährdungen, über mögliche Quellen von Gefahren, also die Anti-Terror-Datei. Das ist nicht der Fetischismus von irgendwelchen verrückt gewordenen Bürokraten. Die Amerikaner hatten alle Informationen vor dem 11. September. Wenn sie sie hätten vernetzen können – das konnten sie damals nicht –, dann hätten sie erkennen können, was an Anschlägen geplant war. Und wenn man das lernt, dann muss man nicht hinterher klüger sein als man hätte sein können, aber man sollte beim nächsten Mal daraus die Erfahrung gezogen haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! Genau darin liegt übrigens die Überlegenheit einer freiheitlichen und zugleich toleranten Ordnung. Wir brauchen unsere Prinzipien nicht aufgeben, ja wir dürfen sie nicht einmal aufgeben. Das ist der Fehler, den die Regierung Bush gemacht hat nach dem 11. September. Dass sie in Teilen an die Überlegenheit einer Ordnung von Freiheit und Rechtsstaat selbst nicht geglaubt hat. Guantanamo ist ja nicht anders zu erklären, als dass man die Leute außerhalb der Geltungsmacht der amerikanischen Gerichtsbarkeit halten wollte.
Und wenn wir schon hier im Reichgerichtspalast sind, dann sollten wir sagen: das Vertrauen und der Respekt, sich der eigenen Gerichtsbarkeit zu stellen, ist schon eine fundamentale Vorraussetzung dafür, dass eine rechtsstaatliche Ordnung auch erfolgreich sein darf. Darauf darf man nicht verzichten. Wir können uns nicht verteidigen, indem wir die Prinzipien aufgeben.
Wenn wir es so verstehen – und damit will ich auch schon versuchen, Sie zu einem Gespräch einzuladen, wenn Sie noch mögen – dann glaube ich an die etwas anspruchsvolle Frage im Thema, ob Sicherheit in der Globalisierung Utopie oder Staatsräson ist? Utopie ist es keine. Wenn wir Sicherheit nicht verstehen als Hundertprozent, sondern wenn wir sie verstehen als die Vorsorge für das Menschenmögliche Maß an Sicherheit, dann ist sie keine Utopie, sondern sie ist der Ansatz des immer wieder danach Strebens, das Suchen nach pragmatischen Lösungen, um diesem Anspruch – soweit es eben geht – gerecht zu werden in dem Wissen, dass es nicht so ganz geht.
Man muss im übrigen in diesem Zusammenhang sich auch klar machen, wenn wir unsere fundamentalen Interessen, wenn wir den Anspruch aufgeben wollten, dass der Staat das menschenmögliche an Sicherheit leistet, dann würden wir wahrscheinlich genau das Geschäft der Terroristen betreiben. Denn die Terroristen zielen ja am Ende, soweit sie ein durchdachtes Ziel haben, auf die Delegitimierung unserer demokratischen Ordnung. Die Delegitimierung unserer staatlichen verfassten demokratischen Freiheitsordnung würde ja in den Augen der Bevölkerung dadurch erfolgen, dass dieser Staat nicht mehr in der Lage ist, das zu gewährleisten, wofür er gegründet worden ist. Nämlich Sicherheit nach innen und außen!
Insofern ist das nicht eine kleine Sache, ab man das ernst nimmt oder weniger ernst. Ich will dies ein bisschen zugespitzt in der Übertreibung, zu der bescheidene Juristen dann neigen, wenn sie in großen Gerichtsgebäuden sind, an der Debatte aufgreifen, die uns das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz auf den Tisch gelegt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat ja in diesem Urteil gesagt, dass wenn man in der Fallgestaltung des 11. September die Möglichkeit gehabt hätte – damals hatte man sie nicht –, das zweite Flugzeug abzuschießen, damit es nicht auch noch den zweiten Tower zum Einsturz bringt, dann dürfte nach unserem Verfassungsrecht ein solcher Befehl nicht erteilt werden. Weil man unter dem Gesichtpunkt der Menschenwürde ein Leben nicht gegen viele Leben gegeneinander verrechnen kann. Es gibt da nicht ein mehr oder weniger. Das gibt es allenfalls den übergesetzlichen Notstand, den jeder Jurist im ersten Semester an Hand des bekannten Falles einübt, wo die Menschen in einem Schlauchboot drohen zu verhungern und anfangen, sich gegenseitig aufzufressen. Bekanntlich ist das ein Schuldausschließungsgrund, aber kein Rechtfertigungsgrund. Manche haben nun gesagt: „na, dann ist es so, dann müssen wir uns dann für den Fall auf den übergesetzlichen Notstand requrieren.
Ich glaube, das Verfassungsgericht hat ja in seinem Urteil auch ausdrücklich dahin gestellt gelassen, oder hat gesagt, das gelte jedenfalls für den Fall das wir nicht im Verteidigungsfall sind. Es ist im übrigen auch so im Kriegsvölkerrecht, gilt genau dieses Verbot nicht, sondern dort gilt das Verbot des Übermaßes. Deswegen glaube ich, dass wir dann nach dem Urteil des Verfassungsgerichts die Konsequenz ziehen müssen, dass wir einen solchen Gefährdungsfall oder einen solchen Angriff, als einen Angriff im Sinne von Artikel 87a des Grundgesetzes, der den Verteidigungsmechanismus auslöst, definieren müssen. Ich teile jedenfalls die Auffassung nicht – und nur diesen Punkt will ich anfügen, weil er mich auf die Frage „Utopie oder Staatsräson?“ bringt – ich teile die Auffassung nicht, die sagt,: „na gut, den Fall regeln wir dann eben nicht. Wenn er je doch eintreten sollte – Gott sei Dank ist es ja unwahrscheinlich, dass so etwas eintritt, und wenn es eintritt, dann haben wir wahrscheinlich sowieso keine Chance mehr, etwas dagegen zu tun, warum regen wir uns also so auf? – dann machen wir es eben über den übergesetzlichen Notstand.“ Dann sage ich, dass ist nicht mein Verständnis von Staat. Dieser Staat muss entweder sagen: in einem solchen Fall ist irgendjemand befugt zu entscheiden und zwar rechtmäßig! Oder aber, wenn er das nicht tut, und unsere Verfassung sieht den Fall nicht vor, dann muss er klar regeln, wer in einem solchen Fall rechtmäßig entscheiden kann. Wenn er die Entscheidung verweigert – und in einem solchen Fall sagt man, gibt es keine Rechtsordnung mehr, sondern dann gilt der rechtslose Zustand des übergesetzlichen Notstands –, dann verweigert er das, was er nicht verweigern darf.
Deswegen glaube ich, wenn wir Sicherheit so verstehen, ist es eben doch Teil der Staatsräson, weil es den Gesellschaftsvertrag der dem Staat zugrunde liegt, irgendwo legitimiert und weil eine verfassungsrechtliche Ordnung – selbst wenn wir sie so auf die Spitze treiben, wie wir das in Deutschland ja wahrscheinlich besser als anderswo können. Deswegen gibt es auch gelegentliche Übertreibungen – darf sie am Ende die Antwort nicht verweigern. Sie muss sie auch nicht verweigern. Wir haben aus den Erfahrungen des Dritten Reichs und das Versagen eines Volkes und eines Landes mit hoher Zivilisation ja unter anderem die Konsequenz der wehrhaften Demokratie gezogen. Dass die Freiheitsrechte dort enden, wo sie missbraucht werden, um die freiheitliche Ordnung zu beseitigen. Dass sich dieser freiheitliche Rechtsstaat genau dagegen wehrt. Und nicht einfach nur sagt: na ja, das sollte nicht sein, aber man kann dann auch nichts dagegen machen. Wenn wir dieses Vermächtnis der wehrhaften Demokratie aus der Reaktion auf das Versagen und die Barbarei der Hitler-Diktatur richtig verstehen, dann heißt es auch, dass wir angesichts neuer Bedrohungen Antworten nicht verweigern dürfen. Dass wir sagen, ob sie im Einzelfall Sicherheit wirklich gewährleisten könnte, das können wir nicht hundertprozentig garantieren, das kann ja niemand versprechen. Die hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, ein notwendiges Maß an Gelassenheit ist auch erforderlich. Aber die Gelassenheit, das Recht zur Gelassenheit hat man erst dann, wenn man seine Pflicht getan hat, die menschenmögliche Vorsorge zu treffen. In diesem Verständnis ist die Sicherheit dann Teil der Staatsräson.
Herzlichen Dank.