Begrüßung
Hellmut Seemann
So habe ich es mir gewünscht: dass ich Sie, meine sehr geehrten Damen, meine Herren, an einem schönen späten Septembertag hier auf dem Schlosshof würde unter freiem Himmel begrüßen können. Seien Sie alle ganz herzlich willkommen geheißen.
Hier – umgeben von den baulichen Zeugnissen von Altenburgs langer und bedeutender Geschichte – dürfen wir glücklich gewahr werden, dass es tatsächlich geklappt hat: Die seit langem geplante 190. Zusammenkunft des Bremer Tabak-Collegiums in Altenburg, sie findet, allen Schwierigkeiten, die zu meistern waren, zum Trotz, statt! Wir sind hier versammelt – und ja, wir können, dürfen und sollen geradezu so versammelt sein. Corona ist eine Plage, gewiss, aber wir dürfen uns mit dieser Plage nicht nur plagen, wir müssen ihr auch widerstehen, indem wir ihr, wo es verantwortlich geschehen kann, auch entgegentreten: In Geselligkeit und Lebensfreude.
Ein guter Freund von mir, der Kulturveranstaltungen organisiert und den ich kürzlich fragte, wie es ihm denn so gehe, antwortete ohne Zögern: „Jede Veranstaltung erfordert mindestens den doppelten Aufwand und erreicht höchstens ein um 50 % verkleinertes Publikum“ – und hier machte er eine längere Pause, um dann fortzufahren: „was soll ich Dir sagen, Veranstaltungen sind nun mal mein Leben.“ Ein wenig kann diese Regel auch für unsere heutige Zusammenkunft gelten. Zusammenkünfte, Collegien sind nun einmal das Leben des Bremer Tabak-Collegiums. Wir sind weniger als sonst üblich, und es war die doppelte Arbeit. Aber wir sind besonders glücklich, jetzt hier zu sein. Und wir haben besonderen Grund, denen, die dieses Collegium vorbereitet haben, sehr herzlich zu danken. Ausnahmsweise an erster Stelle möchte ich heute – eben weil es ein erkämpftes Collegium ist – Rebecca Kreuzgrabe, der stellvertretenden Generalbevollmächtigten des Bremer Tabak-Collegiums, und Hans-Dieter Lampe schon bei der Begrüßung danken. Mit diesen beiden begrüße ich alle Mitglieder des Kleinen Gremiums. Wenn wir heute ein Collegium erleben, das den Eindruck macht, als sei die Welt, jedenfalls für diese Zeit hier oben auf dem Schloss, in ihrer gewohnten Ordnung mit all ihren Freuden und schönen Ritualen, dann ist das Ihnen liebe Frau Kreuzgrabe, Ihnen und all den vielen Mitstreitern und Unterstützern in allererster Linie zu danken.
Wenn ich die Wörter ‚Mitstreiter‘ und ‚Unterstützer‘ in den Mund nehme, dann ist es die rechte Zeit, den Mann an meiner Seite, Herrn Oberbürgermeister André Neumann, ganz herzlich zu begrüßen. Gleich werden Herr Neumann und ich vor Ihren Augen den Löffeltrunk vollziehen. Am Schluss dieses kleinen Duetts wird der Oberbürgermeister zu mir sagen: Hest’n Rechten drapen. Schon an dieser Stelle – und also vorab – möchte ich das an Sie, lieber Herr Neumann, zurückgeben: Das Bremer Tabak-Collegium hat den Rechten drapen, den Rechten getroffen. Denn ohne die Stadt, der Sie vorstehen, und ohne den Hausherrn dieses Schlosses, der Sie ebenso praktischer- wie glücklicherweise auch sind, wäre es nicht möglich gewesen, diese Zusammenkunft so, wie sie sich heute Abend vollziehen wird, hinzukriegen. André Neumann, geborener Altenburger, der kommende Woche sein 43. Lebensjahr vollendet, hat vor gut zwei Jahren sein Amt angetreten und seitdem neuen Wind durch seine Stadt wehen lassen. Zuvor hatte er die Direktwahl sehr überzeugend mit mehr als 55 % der Stimmen bereits im 1. Wahlgang für sich entschieden. André Neumann wird gleich während unseres Abendbrots zu Ihnen sprechen und Ihnen erzählen, wo er mit seiner schönen Stadt Altenburg hin will.
Das ist der rechte Zeitpunkt, den Vortragenden des Altenburger Collegiums zu begrüßen. Tun Sie es mit mir: Herr Ministerpräsident, lieber Herr Kretschmer, seien Sie herzlich willkommen. Der rechte Zeitpunkt ist es, weil Michael Kretschmer über 30 Jahre Deutsche Einheit sprechen wird, indem er fragt: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, wird es um Sachsen, Deutschland und Europa gehen. Aber ich darf wohl sagen, dass es für den Sächsischen Ministerpräsidenten schon etwas Besonderes ist, im thüringischen Altenburg zu sprechen. Denn man braucht nur auf eine Landkarte zu schauen, um sich die Frage zu stellen, warum Altenburg eigentlich nicht zu Sachsen gehört – und dies erst recht, wenn man erfährt, dass hier in diesem Schloss über Jahrhunderte sächsische Herzöge regiert haben. Als ich, in Vorbereitung dieses Abends, mit Ministerpräsident Kretschmer sprach, bemerkte er, eher in Parenthese, eigentlich mehr zu sich selbst als zu mir sprechend, Altenburg wäre wohl, 30 Jahre nach der Wende, noch ein gutes Stück weiter, als es tatsächlich ist, wenn es seinerzeit, also 1990, zum Freistaat Sachsen gekommen wäre. Wie dem auch sei – interessant ist es indes allemal, dass heute Abend eine ganze Reihe unserer Gäste aus dem Freistaat Sachsen und auch ein paar aus dem Freistaat Thüringen, aber kaum einer aus Erfurt nach Altenburg gekommen ist; man wird es verschmerzen.
An dieser Stelle wollte ich, um zu zeigen, wie wir dies Verschmerzen tatsächlich üben wollen, einen Gast ganz besonders herzlich begrüßen: Prinz Michael von Sachsen-Weimar und Eisenach. Leider musste Prinz Michael zu Beginn dieser Woche absagen. Eine hartnäckige Erkältung zwang ihn zu dieser Entscheidung. Ich hätte ihn tatsächlich besonders gern im Hof dieser Burg begrüßt, in den so viele seiner Ahnen immer wieder eingeritten sind. Nicht zuletzt hätte mir dies Gelegenheit gegeben, an einen Herzog zu erinnern, dessen Leben mit Altenburg in besonderer Weise verbunden war, einen ganz erstaunlichen Mann: Herzog Johann von Sachsen- Weimar lebte am Ende des 16. Jahrhunderts hier. Zwar wurde er, immer kränklich, wie er war, nur 35 Jahre alt und regierte nur ganze drei Jahre – und dies eigentlich widerwillig – in Weimar. Aber zwischen 1593, als er seine Frau Dorothea aus dem Hause Anhalt ehelichte, und dem Beginn seiner Regentschaft nach dem Tod seines älteren Bruders 1602, also ein knappes Jahrzehnt, lebte er meist hier. Und nur hier war er glücklich. Den Künsten und den Wissenschaften hingegeben – und seiner Familie. Dieser widmete er viel Zeit und Kraft. Zwölf Jahre reichten ihm, um zwölf Nachkommen zu zeugen, wohl bemerkt, alle einzeln, keine Mehrfachgeburten. Unter den zwölf Kindern elf Söhne, von denen, eine damals ganz ungewöhnliche Zahl, acht das Erwachsenenalter erreichten. Er kümmerte sich persönlich um ihre Erziehung, damals etwas ganz Ungewöhnliches. Wie Sie wissen, gab es viele ernestinische Herzöge in Thüringen, aber es gibt nur einen, von dem, seit dem Jahr seines Todes 1605 und bis heute, alle legitimen Nachkommen dieser großen Familie abstammen: Den kränklichen Johann von Sachsen- Weimar. In seinem Namen wünsche ich von hier aus gute Besserung.
Meine Damen, meine Herren,
nun würde ich so gern noch diese und jenen persönlich begrüßen, aber dazu ist nicht die Zeit. Fühlen Sie sich bitte alle mitbegrüßt, wenn ich heute nur noch einen Gast namentlich begrüße. Zehn Tage vor dem 30. Jahrestag der Deutschen Einheit kann das in meinen Augen nur einer sein. Lieber, hochverehrter Prof. Richard Schröder! Es ist mir eine große Freude und eine große Ehre für das Bremer Tabak-Collegium, dass Sie sich in Ihre alte Heimat, das Pleissenland, aufgemacht haben, um heute Abend unser Gast zu sein; seien Sie herzlichst willkommen geheißen! Aus Frohburg stammten die ersten Burggrafen von Altenburg und aus Frohburg stammt Richard Schröder. Der Theologe und Philosoph hat unendlich viele wissenschaftliche und politische Funktionen ausgeübt und ausgefüllt. Für mich aber sind Sie, lieber Herr Schröder, über allem anderen eines der authentischen Gesichter der Deutschen Einheit. Während und nach der Wende vermochten Sie es, insbesondere auch für die damals Jüngeren, also die Deutschen meiner Generation im östlichen und westlichen Teil Deutschlands, in entscheidenden Debatten so zu argumentieren, dass wir in Ost und West einander besser verstehen konnten. Sie sind im allerbesten Sinne, den dies Wort nur haben kann, für mich der public intellectual der Deutschen Einheit geworden. Dafür habe ich, aber ich denke auch alle hier Versammelten, bis zum heutigen Tag allen Grund, Ihnen sehr aufrichtig zu danken.
Und so schreiten wir zum Löffeltrunk. Sie alle machen es uns, dem Hausherrn und dem Sprecher, also mir und André Neumann, nach. Dazu gehen Menschen in gebotenem Abstand durch die Versammlung, denen Sie bitte ihren Löffel hinstrecken. Wenn Sie dann Ihren Nachbarn identifiziert haben, machen Sie alles weitere so, wie ich es Ihnen nun mit dem Oberbürgermeister vormache: